Letztes Abenteuer: Cairns, Queensland

Im Gegensatz zu unseren Mitreisenden - Vater und Tochter wollen die restlichen zwei Tage eher faulenzen und die Lehrer haben gar noch eine Woche drangehängt - steht bei uns die letzten zweieinhalb Tage noch ein straffes Programm an: Ein Muss ist natürlich, zumindest einen winzigen Teil der immensen Regenwaldgebiete anzusehen, wenn möglich (und einigermaßen erschwinglich) dem Barrier Reef einen Besuch abzustatten und - per Internet von zu Hause organisiert bei einem hiesigen Hochzeitsplaner - in Palm Cove zu heiraten. Hier kann man sich unter Wasser, im Heißluft-Ballon über den Wolken, bei einem Fallschirmabsprung, im Dschungel oder an diversen anderen exotischen Locations trauen lassen - wir haben uns für eine bodenständigere Variante entschieden - die am Strand. So ist denn unser allererster Anlaufpunkt nach der Landung in Cairns das Hochzeitsbüro in Palm Cove eine knappe halbe Stunde in Richtung Norden. Von einem fröhlichen Pärchen, den Veranstaltern, erhalten wir Instruktionen für den morgigen Vormittag, den Rat, den 11-Uhr-Termin besser auf neun zu verlegen, damit's nicht gar so heiß wird, und ein Blatt mit den Zeremonien-Texten - zum Üben, wie Gerd, Gatte der Standesbeamtin, augenzwinkernd meint. Die Trauung ist in Englisch.
   Unser Hotel gleich um die Ecke sieht nett aus: gemütlich und inmitten von üppigem Grün und blühenden Sträuchern. Dunkle Ahnungen bezüglich unserer Unterbringung hier beschleichen Linda beim Passieren des Flügels mit der Baustelle drumherum und den riesigen Schutthaufen vor den Fenstern. Als der Gepäckträger dann mit unseren Koffern präzise diesen Gebäudeteil ansteuert, beschließen wir zu streiken. Ein Zimmerwechsel klappt problemlos, nachdem wir dem Empfangschef ein unschlagbares Argument liefern - unseren morgigen Festtag. Flugs hat er für uns ein hübsches Zimmer mit Terrasse im Grünen am Pool organisiert, huscht ins Büro und kommt mit einer Flasche Champagner zurück, die er uns "mit den herzlichsten Glückwünschen vom Haus" in die Hand drückt. In jäher Hochstimmung lassen wir uns für morgen Mittag eine Regenwald-Tour nach Kuranda und für übermorgen einen Katamaran-Trip zum Schnorcheln am Barrier Reef buchen - etwas, das wir uns in Anbetracht all der hoch giftigen Meeresbewohner hier strikt verkneifen wollten. Egal.
   Auf unserer lauschigen Terrasse köpfen wir einen Mini-Sekt und gucken dem lustigen Treiben unter uns zu - ein Entenpärchen watschelt um die Liegen, ein Triel hält Wache vorm Restaurant, unsere Lehrer schreiben Postkarten unter einem Schirm und eine Gruppe angetrunkener Russen wankt fröhlich lärmend um den Pool. Wir üben noch ein wenig für morgen, ehe wir uns auf den Weg zum Abendessen machen.


   Einfach perfekt lässt sich der heutige Tag an: strahlendes Wetter, eine liebevoll inszenierte Trauung mit live Blues Gitarrenmusik am Traumstrand - besser geht's nicht (auch wenn Linda ihren Einsatz einmal nicht gleich mitbekommt und ihr souffliert werden muss und dann das Anstecken unserer Ringe wegen hitzebedingt leicht geschwollener Finger etwas schwierig ist). Wie im Flug sind zwei Stunden vergangen, eine mehr als gedacht - wir müssen Gas geben, um pünktlich die gebuchte Regenwald-Tour anzutreten.
   An der Talstation der "Skyrail Rainforest Cableway" bei Cairns kommen wir nach zweimaligem Verfahren auf den letzten Drücker an. Weshalb wir uns hier jedoch genau um 11.30 Uhr einfinden sollten, entzieht sich zunächst unserem Verständnis - die Gondelbahn nach Kuranda kann laufend Fahrgäste aufnehmen. Wir hinterfragen dies nicht weiter, müssen uns aber schon recht bald eingestehen, wieder mal lächerlich wenig Zeit für eine gebührende Erforschung dieser zauberhaften Landschaft zur Verfügung zu haben - wahrscheinlich hats unser Hotel nur gut gemeint.
   Dicht über den Gipfeln der Regenwald-Riesen geht es gemächlich bergan, und wir genießen den fantastischen Blick auf das unendliche grüne Meer aus der Vogelperspektive. Unterwegs legen wir einen Stopp bei einer der Zwischenstationen ein, um diese Dschungelwelt ein wenig zu Fuß zu erkunden. Schade nur, dass wir hier keine der geführten Touren mit Ranger mitmachen können - entweder hätten wir früher da sein oder auf die Zugfahrt zurück verzichten müssen. So bestaunen wir beide jetzt aus der Ameisenperspektive die mit Moosen, Schlingpflanzen und Farnen zugewucherten Baumgiganten, umrunden Meter hohe und breite Brettwurzeln und entdecken sogar ab und zu im Dickicht der Äste einen der Verursacher der steten Geräuschkulisse von Gezwitscher, Gepiepe und Gekrächze sowie anderen nicht zuzuordnenden Lauten.
   Ganz zu schweigen vom Regenwald: Allein das Bergörtchen Kuranda böte dem Besucher mit Muße Interessantes und Sehenswertes für Tage: Kunst- und Aboriginal-Galerien, Zoo, Schmetterlings-Ausstellung, Museen, Wanderungen im Dschungel, Bootsfahrten auf dem Barron River und unendlich viel mehr. Unsere Aktivitäten hier beschränken sich fahrplanbedingt auf ein äußerstes Minimum: In zweieinhalb Stunden fährt der letzte Zug hinunter in Richtung Cairns. Wir beschließen rigoros, in eines der gemütlichen Lokale einzukehren, denn wir haben heute noch nicht einmal einen Happen gefrühstückt. Wenigstens können wir noch eine ausgedehnte Runde durch das Städtchen drehen und ein paar kleine Galerien und Kunstgewerbe-Shops durchstreifen. Den Erwerb eines "richtigen" Didgeridoos verkneifen wir uns - die Preise dieser Instrumente bewegen sich hier zwischen 250 US(!)-Dollar und unendlich.
   Aus einem wiederum ganz anderen Blickwinkel erschließt sich dieses Regenwald-Paradies vom Zug aus. Ganz gemütlich, bisweilen im Schritttempo schlängelt sich die Schmalspurbahn aus Pioniertagen durch dunkelgrüne Schluchten, entlang des Barron River, über kleine Brücken und vorbei an Wasserfällen. Ein paar Stopps gibt's auch - an zwei Bahnhöfen, wo die letzten Wanderer zusteigen können und für die Fahrgäste unterwegs an Stellen mit ganz besonders reizvollen Ein- und Ausblicken - besonders apart und sehr fotogen die lang gezogene Kurve inklusive Zug.
   Da wir ganz vorsätzlich das Unterwassergehäuse von unserer kleinen Digicam zu Hause gelassen haben (wir wollten ja unter keinen Umständen schnorcheln...) müssen wir uns unbedingt noch schnell eine dieser Wegwerf-Kameras besorgen. Wäre ja schade, ohne ein Foto vom morgigen Ausflug ans Barrier Reef zurückzukehren. Es gibt sie hier an jeder Ecke - unsere ergattern wir in einem Getränke-Supermarkt.

   Heute geht's wieder mal früh los: Um neun sammelt uns vorm Hotel ein Bus nach Port Douglas ein, von wo aus unser Schiffchen in See sticht. Das Frühstück haben wir sicherheitshalber ausgelassen, an Bord wird ohnehin irgendwann ein kleiner Lunch gereicht, vermutlich nach dem Schnorcheln.
   Während der Dreiviertelstunden-Fahrt in Richtung Norden passieren wir einen Traumstrand nach dem anderen: langgezogene, winzige in Buchten, mit üppiger Vegetation oder Felsen umsäumte. Und menschenleer sind sie auch noch. Ursache hierfür ist allerdings die derzeitige Verbreitung winziger und hoch giftiger Quallen, die das Baden hier unmöglich machen, wie unser Busfahrer erklärt. Aber, fügt er gleich beschwichtigend fort, weiter draußen am Riff dürfte es keine geben.
   Das Erste, was uns an Bord unseres Katamarans bei der allgemeinen Einführung zum Schnorcheln eindringlichst nahegelegt wird, ist sicherheitshalber mit Neoprenanzug ins Wasser zu gehen. Es gibt sie gegen eine Gebühr von zehn Dollar zu leihen. Wie gut, dass wir gerade so zwanzig aus Hemd- und Hosentaschen zusammenkratzen können - mit der Möglichkeit, beim Schnorcheln Geld ausgeben zu können, haben wir nicht gerechnet und daher alles im Hotel gelassen.
   Ein bisschen Hektik bricht noch gegen Ende der recht kurzen Fahrt zu unserem Ankerplatz aus, ehe alle 30 Passagiere passende Taucherbrillen und Flossen gefunden haben. Das Problem Neoprenanzug wird uns abgenommen, den bekommen wir nach kurzer fachmännischer Musterung seitens unseres Guides einfach in die Hand gedrückt beim Umsteigen auf das kleine Beiboot, das uns zur "Schnorchel-Basis" Low Island hinüberschippert.
   Nach Bekanntgabe weiterer Verhaltenstipps am Strand - mit Flossen an den Füßen rückwärts ins Wasser gehen, Brille erst drinnen aufsetzen, nicht die Korallen zertrampeln etc. - gibts dann auch noch für jeden eine dieser unsäglichen Schaumstoffwürste zum Unterklemmen und "zum entspannteren Schwimmen oder falls man müde wird". Gerade noch fällt Linda ein - eingepackt in Gummianzug bei 40 Grad und mit der Schaumstoffwurst unterm Arm -, die Einwegkamera einem Trockentest zu unterziehen ehe es ernst wird; irgendwas funktioniert nicht mit dem Filmtransport. Aber unser netter Guide kennt sich aus und zeigt uns, wie's geht.
   Auch wenn Low Island dem Barrier Reef nur vorgelagert ist, von den örtlichen Tourenveranstaltern frequentiert und das umliegende Riff entsprechend belastet wird: Sinkt nach dem allgemeinen Run in die Fluten der von zahlreichen Flossen aufgewirbelte Sand ab, eröffnet sich eine erstaunlich vielfältige und bunte Unterwasserwelt. Zwischen den unterschiedlichsten Korallenstöcken, Schwämmen und Anemonen tummeln sich zahllose farbenfrohe Fische, winzige, dicke, gestreifte, getüpfelte, wir entdecken gelbe Trompetenfische und Blaupunktrochen. Ein richtiges Highlight ist die riesige Meeresschildkröte, die wir eine Zeit lang beobachten können, bis es ihr zu dumm wird und sie vorzieht Reißaus in tiefere Gewässer zu nehmen - in einem zügigeren Tempo, als man ihr zutraut.
   Während eines Päuschens auf dem Eiland können wir uns von der Achtsamkeit unseres ständig am Strand auf und ab patroullierenden Guides überzeugen: Engergisch stößt er plötzlich in seine Trillerpfeife, um einen Schnorchler weit draußen zurückzuwinken, der mitsamt der unverkennbaren Schaumstoffwurst genau auf diejenige Strömung zudümpelt, vor der an Bord eindringlich gewarnt wurde.

   Wie jeder Tag dieser Reise verrinnt auch dieser viel zu schnell. Zu allem Überfluss ist das auch noch unser letzter! Wehmütig resümieren wir beim Abendessen in unserem hiesigen Lieblingsrestaurant, dem Griechen am Meer, dass wir in drei Wochen wohl jede Menge phantastische Spots auf diesem Kontinent kennen gelernt haben, aber leider nur oberflächlich.
   Nach Hause nehmen wir eine Fülle unvergesslicher Eindrücke mit, die manchmal wie im Zeitraffer an uns vorbei gesaust sind, gerade noch so, dass wir sie greifen konnten. Wir hoffen, irgendwann einmal wieder zu kommen, dann auf eigene Faust und mit mehr Zeit, um überall dort etwas länger verweilen zu können, wo es uns ganz besonders gefällt. Und mit Ausnahme des nächtlichen Melbourne sind da mehr als genügend Anlaufpunkte für viele weitere Reisen nach Down Under vorstellbar...