Zwischen Reisterrassen und Korallenriff

Unter Amed und nach einem Blick auf die spärliche Beschriftung der Balikarte Ost hatten wir uns ein verschlafenes Eck mit ein paar Hütten am Meer vorgestellt. Amed entpuppt sich in der Tat als verschlafenes Eck, liegt aber nicht am Meer. Die winzige Straße von da an die Küste scheint ans Ende der Welt zu führen. Wir staunen nicht schlecht, als wir bei riesigen, neu errichteten und hoch modernen Hotelkomplexen ankommen und sind ziemlich enttäuscht. Eine Kurve weiter in einer malerischen kleinen Bucht erblicken wir dann unsere auserwählten Vienna Beach Bungalows und uns geht das Herz auf.

Artenreiche Tropenfauna

Wir haben Glück und können - nach einer Nacht in einer sehr zentral gelegenen Hütte direkt neben der Küche - einen wunderschönen Bungalow direkt am Strand beziehen. Für 30 Dollar pro Tag (Frühstück und ein Essen inklusive) ist dies mit Abstand unsere luxuriöseste Unterkunft bisher, aber auch die schönste und gemütlichste. Aus der Deckung einer üppigen Vegetation aus blühenden Sträuchern und Palmen heraus haben wir Blick aufs Meer, auf vorbeiziehende Fischerboote und Delfine, die fast jeden Nachmittag ein paar Sprünge nicht weit vom Ufer einlegen.
   Jeden Morgen liegt auf den Stufen zu unserer Terrasse in einem kleinen Bananenblatt das typisch balinesische, liebevoll arrangierte und mit Blüten geschmückte Reisopfer. Allerdings nicht lange. Um eine rasche Entsorgung kümmert sich eine Hühnerfamilie mit fünf Küken. Vater, ein prächtiger Hahn mit bunt schillerndem Gefieder, ist gottlob stimmfaul oder hat einen Sprachfehler. Wir hören ihn nie krähen.

   Den kleinen, lauschig unter einer Palme gelegenen Tisch erklären wir spontan zu unserem Stammplatz. Als wir dort gemütlich zurückgelehnt nett dekorierte Drinks zu uns nehmen, entdecken wir im Battwerk über unseren Köpfen mehrere dünne giftgrüne Schlangen. Sie strecken sich anmutig und recht flink von einem Palmwedel zum nächsten. Wir schnappen unsere Gläser und flüchten an den übernächsten Tisch. Die Auskunft auf unsere Fragen bezüglich dieser Reptilien ist ausführlicher als die "Donīt know"s in Lovina: "Hier hat noch nie irgend jemand eine Schlange gesehen!". Aha. Ausgesehen haben sie wie Bambusottern(die wir aus dem Discovery Channel kennen), und unter diesen Baum setzen wir uns jedenfalls nicht mehr.

   Mit ihren zahlreichen und vor allem intakten Korallenriffen und etlichen Schiffswracks zählen die Gewässer rund um Amed sicherlich zu den interessantesten Tauchrevieren und Schnorchelgebieten von Bali.
   Allein das Riff direkt vor unserer Haustür ist eine Sensation. Wir schlüpfen in die Flossen und nach ein paar Schwimmzügen sind wir inmitten eines bunten Unterwasserreichs aus Schwämmen und Korallen und umringt von zahllosen Fischen.
   Unser erster Schnorchelgang konzentriert sich allerdings auf die Suche nach unserem Bungalowschlüssel, den sich Hans fachmännisch mit einem Kreuzknoten um sein Handgelenk gebunden hatte, ehe er ins Wasser stieg. Nach zweimaligem Abgrasen der bereits zurückgelegten Strecke geben wir auf - und finden ihn glatt doch noch: silbern glitzernd liegt er im Sand des knietiefen Wassers, genau da, wo wir hineingegangen sind.

   Den Schlüssel lassen wir ab da in der Tür stecken und genießen lieber unbeschwert das üppige und artenreiche Leben im Riff. Mit einem vom Frühstück abgezweigten Toast wollen wir Fische anlocken. Kaum schwebt ein Brösel im Wasser, schon sind wir umringt von bunten Schwärmen kleinerer Exemplare. Auch große, dicke, regenbogenfarbene Buntbarsche nähern sich neugierig, wahren jedoch etwas Abstand. Am frechsten sind die etwa sieben Zentimeter langen, kleinen braunen Fischchen mit geschwungener langer Schwanzflosse, die unsere Taucherbrillen anstupsen oder an unseren Armen und Beinen zupfen, sobald die Tüte leer ist.

   Mit dem Prahu - der kleinen Auslegerboot-Variante - schippern wir auch mal die Küste entlang zu anderen Riffs, in tiefere Gewässer und an das Wrack eines Fischerbootes, das sich innerhalb weniger Jahre in ein intaktes, von zahllosen Lebewesen bewohntes Riff verwandelt hat. In noch sonnendurchfluteten vier Metern Tiefe überwuchern rote, gelbliche, blaue und vereinzelt sogar schwarze Korallen Deck und Reeling. Riesige Fischschwärme tummeln sich hier, unter anderem auch eine der hoch giftigen schwarzweiß geringelten Seeschlangen, ein Plattschwanz. Gefangen vom Zauber dieses Szenarios verlieren wir jegliches Zeitgefühl und steigen erst wieder ins Boot zurück, als unser Fischer uns mit Nachdruck dazu auffordert. Unser Sonnenbrand am nächsten Tag ist nicht von Pappe.

Landpartien

Zeit, sich mal wieder vom Wasser loszureißen. Tagestouren mit eigenem Chauffeur sind billig: Für 20 Dollar können wir uns stressfrei und ohne zigmaligem Verfahren Landschaft und Leben hingeben.
   Gerne hätten wir eine Fahrt an der Küstenstraße rund um die Osthalbinsel unternommen. Aber seit dem letzten heftigen Ausbruch des Agung im Jahre 1963 ist sie in sehr schlechtem Zustand, und unser Fahrer bevorzugt die Strecke durchs Inland. Hinter Amed schlängeln wir uns einen Pass hinauf und genießen wundervolle Einblicke in weite Gebirgstäler, auf satt grüne Hügel und mit Reisfeldern überzogene Bergflanken.

   Ziel der Fahrt ist die Bezirkshauptstadt Amlapura und Puri Agung Kanginan, dem noch bis 1935 vom letzten Raja und bis heute von einem Teil seiner Angehörigen bewohnten Palast. Nach Passieren zweier wadenschnappenden Gänse wandeln wir im Schatten einer zauberhaften Gartenanlage vorbei an Lotosteichen und Springbrunnen zum Hauptpalast, wo wir - hier unerwartet - eher schlichte Wohnräume vorfinden und ein überdimensionales Schwarzweißfoto der zuletzt amtierenden Raja-Familie bestaunen können.

   Auch dem Stadtmarkt wollen wir einen Besuch abstatten. Es ist ein residenter Markt für Einheimische, teils in Hallen, teils in schmalen Gässchen unter Planen. Zu kaufen gibt es alles, Lebensmittel, Haushaltswaren, Stoffe, Kleidung, Einrichtungsgegenstände. Irgendwie können wir uns - trotz Begleitung durch einen Einheimischen - des Eindrucks nicht erwehren, hier nicht sehr willkommen zu sein. Verfolgt durch misstrauische Blicke von allen Seiten und fast jedem verlassen wir den Ort nach knappem Rundgang wieder. Wenigstens freut sich der Getränkeverkäufer am Ausgang über unseren Besuch.

   Nordwestlich von Amla-
pura, inmitten eines weiten, üppig grünen Tals legen wir eine ausgedehnte Rast bei Tirthagangga ein, dem "Heiligen Wasser der Mutter Ganges". Erfrischende Kühle spenden die mit Süßwasser gespeisten Teiche und Becken. Zahllose freundliche bis Schrecken erregende Fantasiefiguren und Dämonen flankieren Wasser speiend Beckenränder, andere halten vor Tempeln Wache. Lange durchstreifen wir diesen verwunschen und unwirklich anmutenden Ort mit Blick auf das über 1100 Meter hohe Vulkanmassiv des Seraya. Nicht umsonst haben sich im unmittelbaren Umfeld viele Losmen angesiedelt. Tirthagangga und seine zauberhafte Umgebung lohnen einen längeren Aufenthalt.

    Das unglaubliche Grün macht süchtig. Einen Tag lang fahren wir mit unserem Lieblingschauffeur durch die abwechslungsreiche üppige Bergwelt Ostbalis. Hinter jeder Biegung, hinter jedem Hügel tun sich neue Panoramen und neue Varianten dieser unglaublichen Farbe auf, die für diese Insel so typisch ist. Wir können uns nicht satt sehen an wasserüberfluteten Feldern, terrassierten Hügeln und den weiten, meist mit Palmen gesäumten Tälern dazwischen.

   Ein abseits der Hauptstraße gelegenes, kleines gemütliches Teehaus zu Füßen des Göttersitzes lädt uns zum Verweilen ein. Leider werden wir uns bald vom majestätischen und allgegenwärtigen Agung verabschieden müssen. Unsere Reise geht weiter nach Java - und dort erwarten uns schon der Bromo, Tengger und Semeru.


    Den letzten Abend feiern wir gebührend mit balinesischem Wein und "Duck Vienna Beach". Auf Lindas Frage, ob die Ente mit Kopf und Füßen serviert wird, meint unser netter Kellner, er könne beides auch gerne in der Küche abschneiden lassen. So schmeckt sie uns gleich nochmal so gut, der Wein ist ausgesprochen köstlich und fruchtig. Wie jeden Abend sind die Tische am Strand gedeckt unter blinkenden Sternen und einem dünnen Halbmond, der wie eine schräg liegende Tasse am Himmel hängt. Eine freudige Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: Bei den Geckos im Restaurant stellt sich offensichtlich bald Nachwuchs ein. Eine Reihe runder Eier lugt zwischen den Bambusstäben im Dachfirst hervor. Alle sind glücklich. Und auch wir teilen die Freude und denken: Was für ein gelungener Abschied!