Tempel, Tanz und wilde Affen

Auch wenn das kleine umtriebige Städtchen als eines der beliebtesten Touristenziele auf Bali gilt: Ubud ist Pflicht für Liebhaber von Kunsthandwerk und Malerei. Außderdem liegt es umgeben von herrlicher Landschaft und den schönsten Reisterrassen der Insel, ist idealer Ausgangspunkt für Ausflüge und Wanderungen in der näheren Umgebung oder an der Küste im Süden und bietet mit seinem quirligen Leben eine willkommene Abwechslung zur Ruhe und Beschaulichkeit anderer Orte.

Action in Ubud

Stürzt man sich nicht sofort auf den Markt oder in die vielen Souvenirläden entlang der Straßen, landet man als erstes im Monkey Forest - so wie wir. Abgesehen von seinen dreisten, aber auch ganz putzigen Namensgebern, den Javaneraffen, ist der Park am Südrand Ubuds ein sehr beschaulicher Ort, für den man sich ruhig mehr Zeit nehmen sollte als nur für das obligatorische Verfüttern von Bananen und Erdnüssen.
   Dichte Baumriesen tauchen das Wäldchen in permanent dämmriges Zwielicht, nur vereinzelt durchbrechen Sonnenstrahlen das Geäst. Tempel, dunkle Teiche und steinerne, mit Moos überwucherte Dämonen entlang verschlungener Pfade verstärken noch das Gefühl, durch einen verwunschenen Wald zu laufen. An einer Stelle führt der Weg mitten durch den mächtigen Stamm eines Banyan-Baums hindurch.
   Selbstverständlich können wir uns - allen Warnungen zum Trotz - nicht verkneifen, am Eingang eine der riesigen und zu Wucherpreisen angebotenen Bananenstauden zu erstehen. Kaum haben wir einen Fuß über die Schwelle des Eingangstors gesetzt, greift sich ein dicker, großer Affe den kompletten Sack Bananen. Wir überlassen ihm kampflos die Beute, mit so einem Gesellen legen wir uns lieber nicht an. Mit einem Fuß die Staude gesichert, beginnt er sofort, genüsslich eine Banane nach der anderen in sich hineinzustopfen. Ja, das warīs dann wohl mit Füttern...
   Beim nächsten Mal sind wir schlauer und nehmen gar nichts mit. Genauso lustig ist es, anderen Leuten zuzugucken, wie sie bedrängt und ausgeplündert werden. Allseits beliebte Beute sind auch Sonnenkäppis, Brillen und Handtaschen. Von einer schattigen Steinbank aus sehen wir amüsiert dem Treiben zu. Hans ist weniger amüsiert, als sich plötzlich ein fetter Affe auf seinen Schoß setzt und ihn vehement am T-Shirt zupft. Wir erstarren, aber nachdem hier nichts zu holen ist, springt der Frechdachs bald wieder weg.

   Taschenlampe und Regenschirm zählen laut Reiseführer zu den wichtigsten Utensilien für einen Aufenthalt in Bali. Der Strom kann des öfteren ausfallen, und Regen ist auch nichts Außergewöhnliches in diesen Breiten.
   Unser Abendessen bei Lili`s wird an diesem Abend etwas auf uns warten müssen. Ein heftiger Wolkenbruch hält uns für geraume Zeit in unserem Bungalow fest - wir haben keinen Regenschirm. Unsere Suche nach dem kleinen Restaurant artet trotz Zuhilfenahme einer detaillierten Ortskarte in einen Gewaltmarsch durch ganz Ubud aus. Irgendwie stimmt der Maßstab nicht, ebenso wenig wie die Entfernungsangaben oder Straßennamen. Aber wir kommen dann doch noch an - Lili`s liegt nur einen Katzensprung entfernt von unserer Unterkunft. Die mit Hals, Kopf und Schwimmfüßen servierte Ente deprimiert uns etwas. Sie schmeckt zwar sehr gut, aber Linda hat kaum noch Hunger. Als wir zahlen, fällt der Strom aus, und wir tappen im Stockfinstern nach Hause. Morgen gehen wir sofort zum Markt und besorgen uns Schirm und Taschenlampe.

   Beim Kauf der zwingenden Artikel bleibt es natürlich nicht. Schlendert man erst an den vielen hübschen und preiswerten Dingen vorbei, braucht man plötzlich Mitbringsel, Hemden, T-Shirts oder einen Sack unbekanntes Obst wie etwa Schlangenfrüchte. Sie schmecken köstlich und erfrischend. Eine Reisetasche müssen wir ebenfalls kaufen, um den ganzen Neuerwerb nach Hause transportieren zu können. Außerdem sind mittlerweile die Schwänze all unserer Holzwarane von Komodo abgebrochen. Hans will seinem Vater ein handgeschnitztes Schachspiel schenken. Er lässt sich von einem Verkäufer das Objekt seiner Wahl näher vorführen. Beim Öffnen der Schatulle sausen etliche Schaben übers Spielfeld und hüpfen zu Boden. Der Verkäufer und seine Familie kichern, und uns gelingt es, den Preis erheblich zu drücken.

Odysseen per pedes und auf Rädern

Eine lohnende Wanderung verspricht unser Bali-Buch, macht man sich auf den Weg von Ubud entlang der Reisfelder von Penestanan nach Sayan. Hier soll man eine fantastische Aussicht auf das malerische Tal des Flusses Yeh Ayung haben.
   Gerüstet mit unserer Wanderkarte, der Rückseite des bereits erprobten Ubud-Stadtplans, brechen wir auf. Den Ausstieg aus dem Ort nach Penestanan finden wir noch, ebenso die Reisfelder. Zwei Brücken und Flüsse haben wir überquert, eine dritte Brücke, die - wie beschrieben - ganz wichtig ist, gibt es weit und breit nicht. Ein paar Reisbauern, die wir nach Fluss und Tal fragen, weisen über den nächsten Hügel. Eine Stunde später treffen wir wieder auf die uns bereits bekannte zweite Brücke. Wir schlagen uns mutig in ein Wäldchen - wenigstens können wir da eine Zeit lang im Schatten gehen. Es ist mittlerweile Nachmittag, unsere Füße beginnen zu schmerzen, da hören wir in der Ferne das Rauschen eines offenbar größeren Flusses. Das muss der Yeh Ayung sein. Unser Pfad endet jäh an einem Steilabfall. Durch ein paar lichte Stellen des dichten Pflanzenbewuchses können wir zumindest einen Ausschnitt des herrlichen Tals erkennen: einen Palmenwald, Reisterrassen - und eine weit entfernte Brücke (die dritte offenbar). Auf der Suche nach einer Abstiegsmöglichkeit stoßen wir verdächtig oft auf abgestoßene Schlangenhäute. Da es ohnehin so aussieht, als würden wir von hier aus nie den Fluss erreichen, beschließen wir nach Hause zurückzukehren. Gottlob liegt bei Verlassen des Wäldchens direkt die Ortschaft Sayan vor uns. Entlang der Teerstraße, die auch auf unserer Karte eingezeichnet ist, finden wir nach Ubud zurück. Die mit frischem Tee gefüllte Thermonskanne auf unserer Terrasse lernen wir spätestens ab heute schätzen.

   Ab zwölf Dollar pro Tag - um einiges billiger als Bungee-Jumping oder ähnliche Nervenkitzel-Adventures - wird das nicht weniger aufregende Abenteuer "Selbst fahren auf Bali" angeboten. Wir wagen es. Im dichten Gewimmel von Menschen, Fahrrädern, Fuhrwerken, Bussen und Bemos ruckeln wir ganz behutsam durch Ubud. Die Landstraßen erscheinen uns heute wesentlich schmaler als sonst vom Bus aus, obwohl wir mit einem Zwerg-Jeep unterwegs sind. Unser Ziel, Mount Agung und Besaki-Tempel, versteckt sich hinter einer bedrohlich schwarzen Wolkenwand - sieht ganz nach heftigem Regen aus. Dumm, dass wir unseren neuen Schirm nicht dabei haben. Aber die "Mutter aller Tempel", wie sich Besaki auch nennt, scheint uns wohl gesonnen: Wir können die riesige und beeindruckende Anlage an der Flanke des Agung in aller Ruhe bewundern ohne einen Regentropfen abzubekommen. Sauer wird Mutter allerdings, als wir den Weg zum einen Kilometer unterhalb des Tempels gelegenen Parkplatzes antreten. Alle Schleusen des Himmels tun sich urplötzlich auf, innerhalb von Sekunden sind wir nass bis auf die Haut und flüchten unter das Vordach des nächstbesten Hauses. Die steile Straße verwandelt sich vor unseren Augen in einen reißenden Sturzbach, und die kleinen Läden gegenüber sind hinter dem Wasserfall von Regenguss kaum noch zu sehen. Eine kleine Gestalt mit Riesen-Regenschirm kämpft sich zu uns durch. Für ein paar Rupies bietet uns ein Knirps Schutz hinunter zum Auto an. Nach zähen Verhandlungen, vergeblichem halbstündigen Warten auf Wetterbesserung und plötzlich aufgetauchtem zusätzlichem Beleitschutz, dem kleinen Bruder mit zweitem Regenschirm, sind wir weich geklopft und nehmen das Angebot an. Zu solch ausdauernden, geschäftstüchtigen Kerlchen können wir einfach nicht nein sagen.

   Die nächste Suzuki-Safari - diesmal schon zügiger, lockerer und beherzter an Rad- und Mopedfahrern vorbei - geht an die Südostküste: zum Fledermaus-Tempel Goa Lawah und nach Candi Dasa, das wir auf die Tauglichkeit für einen Badeaufenthalt überprüfen wollen.
   Sich für Candi Dasa mit seinem winzigen Strandstreifen und den monströsen Betonstützmauern zum Schutz der Häuser gegen Brandung zu begeistern, fällt schwer. Als sehr sehenswert entpuppt sich dagegen Goa Lawah. Der Tempel am Eingang einer riesigen Höhle ist deren Einwohnern geweiht, Tausenden von kleinen Flughunden. In dicken Trauben hängen sie an Felsvorsprüngen, von der Decke und schwirren lautlos zwischen den Wänden des dunklen Gewölbes umher. Fasziniert beobachten wir einen Python in der Höhlenwand, der - bereits mit drei verdächtig dicken Auswölbungen am Körper - sein nächstes Opfer umklammert. Linda ist so gefesselt vom Schauspiel und der Suche nach den optimalen Blickwinkeln zum Fotografieren, dass sie an den Tempelstufen fast auf ein weiteres Exemplar dieser recht großen Schlangen tritt. Hans kann sie gerade noch zurückhalten. Und wir haben uns schon über die eifrige Kontaktaufnahme seitens der anwesenden Einheimischen gewundert.

   Die heitere Stimmung am dritten Tag unseres Selbstfahrer-Daseins sinkt jäh nach den ersten dreihundert Metern in Ubud. Ein plötzlicher und dumpfer Knall an der hinteren Fahrerseite lässt uns sofort anhalten. Vom Verursacher des unguten Geräusches können wir weit und breit nichts entdecken, die Leute um uns gucken freundlich. Die Auswirkung hingegen ist nicht zu übersehen - eine dicke Delle im Blech über dem Reifen mit ordentlichen blauen Kratzern. Da niemand schreit, klagt oder schimpft, steigen wir wieder ein und begeben uns leicht übellaunig auf die Weiterfahrt. Dennoch ist uns das Glück an diesem Tag noch unerwartet hold. Wir finden in der Nähe von Lovina nicht nur eine hübsche Unterkunft für unsere nächste Reiseetappe, sondern auch noch an einer Tankstelle drei hilfsbereite Männer, die uns innerhalb von zwei Stunden den Jeep wieder so herrichten, als hätte ihn kein Zweiglein gestreift. Als wir das Fahrzeug an diesem Abend wieder abgeben, hält es jedenfalls der sehr ausführlichen Begutachtung unseres Vermieters stand. Der Mann klopft uns anerkennend auf die Schultern und hebt seinen Daumen. Das haben wir offenbar - wie auch immer - gut hingekriegt...

   Heute wollen wir endlich mal mit einem Bemo fahren. Seltsamerweise fährt auf der Hauptstraße kein einziges vorbei, auf das wir aufspringen könnten. Nur vor dem Markt stehen welche herum. Allerdings sind sie leer, und keine Spur von einem Fahrer in der Nähe. Nach geraumer Zeit ratlosen Wartens hält ein Taxi neben uns. Ein utopisches Preisangebot für die von uns angepeilte zirka 30 Kilometer lange Route Ubud, Tampaksiring und zurück über Petulu können wir auf die Hälfte reduzieren. Und mit einem Mal scharen sich Dutzende von fahrwilligen Einheimischen um uns, die sich mit Angeboten überschlagen.
   Wie alle bisherigen ist auch unser heutiger Fahrer eifrig bemüht, uns sein Land, seine Kultur und vor allem seine Bekannten mit Souvenirshops näher zu bringen. Die meiste Zeit guckt er zu uns auf den Rücksitz, nach beiden Seiten zum Fenster hinaus, in seltenen Fällen vor sich auf die Straße. Linda bangt um die Hühner und vor allem Enten, die am Straßenrand entlang watscheln. Den Agung erleben wir heute zum ersten Mal in seiner ganzen Pracht.

   Erster Stopp ist Tirtha Empul, eine heilige Quelle, der man ein mystisches Lebenselixier zuspricht. Nach Entrichtung einer Eintrittsgebühr, einer Gebühr für die benötigten Gebetsschals und noch eine für die Kamera, betreten wir das Heiligtum. Die Becken für das gelobte Nass sind fast alle leer. Das einzige volle ist restlos verschlammt und umringt von mindestens zehn Busladungen Japanern. Sonderlich beeindruckend finden wir die Anlage nicht und kehren bald wieder durch die obligatorische Händlerstraße zum Parkplatz zurück.

   Die Pflicht ruft: Wir müssen bei einem Verwandten unseres Fahrers vorbeischauen, einem der so genannten New-Art-Künstler. Sein Atelier liegt zufällig gerade in der Nähe. Leider treffen die ausgestellten Kunstwerke nicht ganz unseren Geschmack: Fisch-Mobiles in allen erdenklichen Varianten. Nun ja. Auch wenn wir nichts kaufen, bekommen wir einen Kaffee angeboten, und auch unser Fahrer nimmtīs locker.

   Nächster Anlaufpunkt ist das Heiligtum Gunung Kawi in der Schlucht des Flusses Sungai Pakerisan. Wieder ist der Gebetsschal fällig, hier allerdings gegen eine freiwillige Spende. Eine steile Treppe mit Hunderten von Stufen führt durch eine traumhafte Landschaft von Palmen und Reisterrassen an kleinen Tempeln vorbei hinunter zum Fluss. Hier stoßen wir auf monumentale, in sieben Meter hohe Felsnischen eingebettete Candis, die der Legende nach ein Riese mit dem Fingernagel in das Vulkangestein gemeißelt haben soll. Ob von Riese oder Steinmetz: Vier der Candis wurden zu Ehren der favorisierten Konkubinen eines Königs in alten Zeiten errichtet. Schade, dass es mittlerweile schon so düster hier unten ist; Blitz haben wir keinen. Da wir hier länger verweilen, als unserem Fahrer offenbar lieb ist, werden wir am Parkplatz oben mit einem geringfügigen Aufpreis konfrontiert. Was soll`s.

   Vier Kilometer von Ubud entfernt liegt das kleine Dorf Petulu, wo sich bei Einbruch der Dunkelheit Tausende weißer Reiher zur Nachtruhe sammeln. Dieses Spektakel wollen wir nicht versäumen. Als wir kurz vor Sonnenuntergang eintreffen, weist lediglich die mit Kot übersäte Straße auf eine Präsenz von Vögeln hin. Und dann treffen sie langsam ein: die ersten vereinzelt, bald darauf ganze Schwärme. Laubbäume scheinen die beliebtere Bleibe zu sein. Erst bis alle Kronen voll besetzt sind, werden die Palmen angeflogen. Lautes Gekrächze, Streit um die bequemeren Äste, ein permanentes Schwirren und Geflatter. Als wir uns bei einbrechender Dunkelheit auf den Heimweg machen, fliegen immer noch Scharen der langbeinigen Vögel ein. Ein faszinierendes Schauspiel!


Abschiedsvorstellung

Unsere Tage in Ubud sind gezählt, und wir lassen sie ausklingen mit einem abendlichen Ausflug in die Welt der guten und böser Geister, Prinzessinnen und Hexen.
   Früher gebührten die klassischen Tänze ausschließlich Herrschern und Priestern. Die "Legongs" (Tänzerinnen) wurden im Alter von fünf Jahren ausgewählt, ausgebildet und mussten mit einsetzender Pubertät abdanken.
   Auch wenn diese Schauspiele heute zu täglichen Touristenveranstaltungen mutiert sind, kommt man nicht umhin, von den fremdartigen Gamelan-Klängen und anmutigen Darbietungen verzaubert zu werden. Die Geschichte vom Prinzen, der sich in eine Prinzessin verliebt, Kämpfe mit Widersachern, Hexen und zahlreichen Unholden meistert, ehe er als Held und Mann heimkehrt, ist die gleiche wie aus früheren Zeiten geblieben. Nur der kommentierende Clown hat seine Scherze auf ein zeitgemäßes Publikum zugeschnitten und fragt - mitten in einer rührseligen Szene und völlig aus dem Zusammenhang gerissen - in die Menge: "Want a Taxi?" Alles grölt lauthals - wir auch. Aber er bringtīs einfach auf den Punkt, das muss man ihm lassen.
   Von Ubud verabschieden wir uns mit der Gewissheit, so vieles hier nicht gesehen, so viele Tempel, Täler, Dörfer und schöne Landschaften der näheren Umgebung nicht kennengelernt zu haben. Aber vor uns liegen ja noch weitere zu erkundende Teile dieser zauberhaften Insel: der Norden, Lovina und seine schwarzen Strände und Ostbali, eine Woche Chillen, Schnorcheln und ab und zu ein kleiner Ausflug ins Hinterland. Wir freuen uns schon.