Auf den Spuren der letzten Drachen
"Auf Komodo gibt es pro Quadratmeter Boden mehr Giftschlangen als in jedem vergleichbaren Gebiet auf Erden... Lebensgefährlich sind aber nur die Kettenviper, die grüne Bambusotter und die indische Kobra...Na, ich weiß zwar nicht, warum Sie da hin wollen, aber Sie werden schon Ihre Gründe haben..." (Zitate aus Douglas Adamsī wunderbarem Buch "Die Letzten ihrer Art")Zwischenstopp Flores
Während des vierstündigen Flugs in einer 50-Sitzer-Propellermaschine nach Labuhan Bajo, dem Komodo am nächsten gelegenen Hafen, können wir uns nicht satt sehen an den unzähligen kleinen Inseln, Korallenatollen, mächtigen Vulkanen und Kratern unter uns. Ungewöhnlich und faszinierend auch der Blick direkt ins Cockpit,
das vom Fluggastraum lediglich durch einen beiseite geschobenen Vorhang getrennt ist. Beim Landeanflug irritiert
gewohnt gleich schnappen möchten.Wir werden belehrt, dass nur gegen Vorlage des Gepäck-Kontrollabschnitts irgendetwas ausgehändigt wird. Linda findet ihren Abschnitt nicht. Der Beamte beordert sie zurück in den Flieger - vielleicht liegt der Zettel dort unterm Sitz oder im Netz. Ein kurzes Wühlen in den Müllsäcken der Putzkolonne, die alles Herumliegende bereits beseitigt hat, ist vergeblich. So warten wir denn, bis der letzte Passagier sein Gepäck in Empfang genommen hat und nur noch unsere beiden Rucksäcke auf dem Tresen liegen. Jetzt kriegen wir es auch ohne Coupon.
Ein vom Reiseführer empfohlenes Quartier, "Chez Felix", erweist sich als gute Wahl. Vom gemütlichen kleinen Guesthouse (indonesisch: Losmen) auf einem Hügel über der Stadt genießen wir einen atemberaubenden Ausblick auf die weitläufige Hafenbucht mit zahllosen Booten, bunt gestrichene Häuser,
eingebettet in schroffe vulkanische Bergketten.
in Gemeinschaft mit einigen Gäste und mit Blick gen Westen in die untergehende Sonne verdrängt unsere Konfrontation mit der Armut wieder ein wenig.Komodo-Kontakt
Was auf - egal welchen unserer- Landkarten wie ein Katzensprung aussieht, entpuppt sich als Überfahrt von nahezu sieben Stunden. Weit draußen in einer riesigen hufeisenförmigen Bucht im Osten der Insel Komodo ankert unsere Fähre. Nun heißt es: umsteigen auf eine kleine Nussschale, zusammen mit zwei anderen
Touristen und an die zwanzig Einheimischen, einem Haufen Säcke, Käfigen mit Hühnern, Körben voller Lebensmittel, Gemüse und zahllosen Wasserflaschen. Wir steuern auf Kampung Komodo zu, ein winziges Fischerdorf mit bunten Häusern auf Stelzen, vom Meer aus malerisch flankiert von Bagans, den typischen großen Auslegerbooten.
Wasserflasche gibt der Käptn Gas und deutet auf einen imaginären Ort hinter die steile Klippe, die den Strand begrenzt. Zu unserer
Homo Sapiens. Die separat auszufüllende Gästeliste amüsiert uns ganz besonders: Unter den Angaben zu Name, Ankunft, Abreise und Beruf weist sich der Listenerste als "Supervisor" aus. Erstaunlicherweise auch die zirka zwanzig darunter stehenden - mit zwei Ausnahmen: Es gibt noch einen Zimmermann und eine Hausfrau. Der Franzose setzt unter den letzten Supervisor seine Gänsefüßchen - es scheint ja wohl eine unbedenkliche Berufsgruppe hier zu sein -, und wir sorgen mit Coordinator und Producer für ein wenig Abwechslung.
Unsere Hütte mit mehreren Räumen, spartanisch, aber sauber, teilen wir mit den Franzosen und haben Terrasse mit Blick aufs Meer. Herz und Versorgungszentrum des Camps ist eine Cafeteria mit übersichtlichem Speise- und Getränkeangebot (Nudeln, Reis, Pfannkuchen, dasselbe als Suppen, Kaffee, Wasser, Seven-Up, ein No-Name-Cola und Bintang - ein wirklich nicht übles indonesisches Bier). Aber sie ist wundervoll gelegen in Strandnähe, open air, mit Balken gestütztem Strohdach (das Lebensraum für eine artenreiche Fauna bietet), der Kaffee wird in einem Viertelliter-Glasbierkrug serviert, ist heiß, süß und schmeckt köstlich! Wir sind im Paradies. Aus allen Bäumen ertönt lautes Gekreische und Vogelgezwitscher. Kleine Hirsche grasen rund um uns, im Laub scharren Großfußhühner, schlanke schwarze Wildschweine warten, ob etwas Essbares über die Brüstung fliegt, und neben unserem Tisch lauert ein riesiger Kolkrabe auf Beteiligung an unseren Pfannkuchen.
krankes Tier, das im Camp sein Gnadenbrot erhält (das hoffen wir zumindest). Als direkt vor seiner Schnauze ganz gemütlich zwei Schweine vorbeistreifen und nichts passiert, hält uns nichts mehr auf den Stühlen. Wir pirschen uns ganz vorsichtig an das Tier heran und wahren einen gehörigen Abstand, damit wir notfalls schnell wieder auf die Terrasse zurücksprinten können, falls der Kerl doch munterer sein sollte, als er vorgibt. Begeistert und nicht ohne wohlige Schauer bannen wir den Dino-Nachfahren auf unzählige Fotos, wer weiß, ob wir so etwas hier tatsächlich noch zu sehen bekommen. Überschwänglich und restlos glücklich über die unerwartet rasche Sichtung nehmen wir sofort die Erforschung des Strandes in Angriff. Unsere gerade vor kurzem noch gegenseitig eingestandene Müdigkeit ist wie weggeblasen.Von Drachen und dem rauen Charme der Ranger
Nächster Morgen, 7 Uhr: Eine Gruppe von inklusive uns zehn Leuten sammelt sich vor der Cafeteria zu einer geführten Wanderung dahin, wo sich viele Warane aufhalten sollen (gegen Cash am Vortag gebucht). Uns wundert es nicht besonders, als einzige vom Parkführer befragt zu werden, ob wir den Ausflug schon bezahlt haben.
Wir erreichen ein umzäuntes Gelände - die Stelle, wo früher für Touristen die blutigen Spektakel der Waranfütterungen mit Ziegen inszeniert wurden. Heute gibt es das nicht mehr - auch hier hat man erkannt, dass Anfüttern den Artenschutz nicht gerade fördert. Was wir zu sehen bekommen, sind offenbar noch einige Kandidaten aus den vergangenen Schlaraffenland-Zeiten. Sie liegen hier faul herum, vermutlich alt und immer noch darauf hoffend, etwas zum Fressen vorgeworfen zu bekommen. Bei manchen stehen die Rippen bedenklich vor. Unser Ranger stupst einen trägen Riesen mit dem Stöckchen leicht in die Seite, damit sich etwas rührt. Irgendwie sind wir hin und her gerissen zwischen Begeisterung über den nahen Kontakt zu diesen mächtigen und wirklich beeindruckenden Geschöpfen und Bedauern angesichts ihrer Lethargie an diesem Ort. Jedenfalls tut es uns bis heute Leid, dass wir uns nicht zu einer geführten Tagestour in die "richtige" Wildnis aufgerafft haben, um sie in ihrem natürlichen Lebensraum bewundern zu können.
Nachmittags am Strand (man kann dort herumlaufen und sich frei bewegen - im Gegensatz zum größten Teil der Insel) sehen wir einen Mini-Waran (etwa eineinhalb Meter lang) vom Wasser in die Dünen flitzen. Etwas beunruhigt behalten wir nun auch die Umgebung im Auge und gucken nicht mehr nur aufs Meer hinaus oder staunen über die Korallenäste und unglaublichsten Muscheln, die hier einfach und tonnenweise im Sand verstreut umherliegen: konische und gepunktete Perlmutt-Schneckengehäuse in allen Größen, glatte, gezackte und geriffelte Muscheln bis hin zur Mördermuschel in Waschbeckengröße. Und einen Hirsch am Strand sieht man auch nicht alle Tage.
unseren Tisch einen halben Meter von einer vom Dachbalken herunterhängenden Fledermaus wegrücken.Kampung Komodo und ein Tag auf dem Meer
Das kleine Fischerdörfchen, das wir bei Ankunft nur vom Wasser aus betrachten konnten, ist unser nächstes Ziel. Sicher finden wir dort jemanden, der uns mit einem Auslegerboot ein wenig um die Insel schippert. Nicht ohne vorher den Zahlmeister aufgesucht zu haben, machen wir uns auf zur Strandwanderung. Angeblich ist
man recht schnell dort, und an der hohen Klippe kurz vorm Ort kommt man ganz bequem unten herum vorbei (zumindest solange keine Flut ist, wie wir am Nachmittag dann feststellen. Glück gehabt...).
trockenen Fußes und erreichen Kampung Komodo. Kaum am Ortsrand angelangt, umringen uns Kinder. Mit Deuten auf uns, ein Boot am Strand, aufs Meer und kreisendem Finger versuchen wir unser Glück. Ein älterer Mann stößt dazu, und nach einem kurzen Palaver geht es im Pulk quer durchs Dorf zu einer Hütte abseits vom Strand, die bei weitem nicht mehr so schmuck ist wie die bunten Häuschen in der ersten Reihe. "Captain", sagt der alte Mann und deutet auf einen jüngeren, der im Staub unter seiner Behausung sitzt. Wir verhandeln erst gar nicht über den vorgeschlagenen Preis von umgerechnet 15 Euro für den ganzen Tag und hoffen, dass wir die Handzeichen für "morgen 9 Uhr vor dem Camp" richtig gedeutet haben.
Während wir noch Kaffe trinken, nähert sich tuckernd ein Bötchen. Es hat wirklich geklappt! Anstelle des "Captains" nehmen uns zwei Jungs, vermutlich die Söhne, an Bord. Unser Auslegerboot ähnelt nicht gerade denen, die wir in Kampung Komodo gesehen hatten. Wir stören uns jedoch nicht weiter an abgebrochen Planken, dem mit Rissen übersäten Mast und zersplissenen Schnüren, die Ausleger und Rumpf zusammenhalten. Mit knatterndem Zweitakter (das Segel ist wohl auch kaputt) stechen wir in See.
Während wir das Ufer erforschen (und neidisch die weit draußen umherdümpelnden Schnorchler registrieren), machen unsere beiden Seeleute ein Nickerchen. Hans läuft ans Strandende und untersucht ein paar Felsen, Linda den rosa Sand. Später berichtet er ihr, ihn hätten dort Hunderte von asselgroßen Sandflöhen im Wasser angefallen.
es hat locker über 40 Grad - den Strand entlang. Der Boden ist ein einziges Konglomerat aus exotischen Schneckenhäusern, Korallen, Muscheln, die markanten und monströsen "Schüsseln" der Mördermuscheln ragen hier zu Hauf aus dem Sand - teilweise Exemplare von über sechzig Zentimetern Durchmesser. Trotz schlechtem Gewissen, zu einem Abbau dieses natürlichen Überflusses beizutragen, erklären wir zwei hübsch gepunktete Schneckenhäuser mittlerer Größe zu Souvenirs und nehmen sie mit. Als wir schließlich vom Ufer ablegen, springt knapp vor unserem Boot ein großer Stachelrochen in die Luft. Mach`s gut - es war ein wunderschöner Tag!Unerwarteter Abschied in Ehren
Nachts erschüttert ein grauenvolles, lang anhaltendes Trampeln das Innere unserer Hütte, direkt vor der Zimmertür, raus auf die Terrasse, rein und wieder den Gang entlang. Linda stehen die Nackenhaare zu Berge, da ihr sofort die Anektote im Reiseführer über einen Schweizer in den Sinn kommt, der hier vor Jahren von einem Waran aus dem Zimmer gezerrt und tödlich verletzt wurde. Plötzlich ist der Spuk vorbei, und wir sind wieder eingehüllt in die beruhigenden Klänge des Nachtkonzerts.
Wir lassen unseren letzten Tag gemütlich angehen: kein Programm, nur relaxen im Camp und am Strand. Heute erfahren wir auch den Grund, weshalb jeder Ranger, der an einem Baum vorbeikommt, an den Ästen rüttelt. Es fallen dann jede Menge Früchte auf den Boden, und alle Schweine und Hirsche traben flink herbei, um sie zu vertilgen. Nur die Großfußhühner scharren unbeeindruckt das Laub zu großen Haufen zusammen.
Es gefällt uns gar nicht, dieses kleine Paradies zu verlassen. Aber wir werden um halb acht geweckt (zu allem Überfluss auch noch vom Mann, der die Zimmer putzt, gefragt, ob wir diese Nacht bezahlt haben) und stehen pünktlich mit unseren Rucksäcken und den mühevoll darin verstauten vier Waranen auf dem Steg. Wir würden sie nun vier Wochen lang mit uns herumschleppen, auspacken, einwickeln und letztlich alle mit abgebrochenen Schwänzen nach Hause bringen. Wie wir erfahren, ist die Neun-Uhr-Fähre kaputt gegangen. Unseren Abschied können wir somit noch etwas hinauszögern - bis zur Dreizehn-Uhr-Fähre. Dann heißt es: Bye bye, Komodo!