Auf den Spuren der letzten Drachen

"Auf Komodo gibt es pro Quadratmeter Boden mehr Giftschlangen als in jedem vergleichbaren Gebiet auf Erden... Lebensgefährlich sind aber nur die Kettenviper, die grüne Bambusotter und die indische Kobra...Na, ich weiß zwar nicht, warum Sie da hin wollen, aber Sie werden schon Ihre Gründe haben..." (Zitate aus Douglas Adamsī wunderbarem Buch "Die Letzten ihrer Art")
   Hätten wir das vor unserer Reise gelesen, wäre die Wahl des Ausgangspunktes unserer Ost-West-Route durch Nusa Tenggara vermutlich eher auf Lombok gefallen. Indessen treten wir nach einer Übernachtung in Denpasar ganz unvoreingenommen und gespannt darauf, was uns auf der Dracheninsel erwarten würde, den Weiterflug gen Osten an.

Zwischenstopp Flores

Während des vierstündigen Flugs in einer 50-Sitzer-Propellermaschine nach Labuhan Bajo, dem Komodo am nächsten gelegenen Hafen, können wir uns nicht satt sehen an den unzähligen kleinen Inseln, Korallenatollen, mächtigen Vulkanen und Kratern unter uns. Ungewöhnlich und faszinierend auch der Blick direkt ins Cockpit, das vom Fluggastraum lediglich durch einen beiseite geschobenen Vorhang getrennt ist. Beim Landeanflug irritiert
uns diese Perspektive etwas, als die Piste immer schneller auf uns zukommt und schließlich die einzelnen weißen Markierungen frontscheibenfüllend zu sehen sind. Bange hoffen wir, dass der Pilot die Nase rechtzeitig hochziehen möge und endlich der Horizont ins Blickfeld kommt.
   Uns empfängt eine trockene und glühende Hitze - ganz unerwartet nach der hohen Luftfeuchtigkeit von Denpasar. Labuhan-Bajo-Airport besteht aus einer Landebahn, die auch als Startbahn fungiert, einem mit Stroh gedeckten Pavillon, dessen Zweck sich wohl auf Schattenspenden beschränkt, einem Willkommensschild für die Besucher des Komodo-Nationalparks und einem Abfertigungsgebäude nicht größer als ein Hangar auf einem Sportflugplatz. Hier liegt auch nach einer Weile unser Gepäck, das wir uns wie gewohnt gleich schnappen möchten.Wir werden belehrt, dass nur gegen Vorlage des Gepäck-Kontrollabschnitts irgendetwas ausgehändigt wird. Linda findet ihren Abschnitt nicht. Der Beamte beordert sie zurück in den Flieger - vielleicht liegt der Zettel dort unterm Sitz oder im Netz. Ein kurzes Wühlen in den Müllsäcken der Putzkolonne, die alles Herumliegende bereits beseitigt hat, ist vergeblich. So warten wir denn, bis der letzte Passagier sein Gepäck in Empfang genommen hat und nur noch unsere beiden Rucksäcke auf dem Tresen liegen. Jetzt kriegen wir es auch ohne Coupon.

   Ein vom Reiseführer empfohlenes Quartier, "Chez Felix", erweist sich als gute Wahl. Vom gemütlichen kleinen Guesthouse (indonesisch: Losmen) auf einem Hügel über der Stadt genießen wir einen atemberaubenden Ausblick auf die weitläufige Hafenbucht mit zahllosen Booten, bunt gestrichene Häuser, eingebettet in schroffe vulkanische Bergketten.
   Eine Wanderung hinunter ins Städtchen vorbei an Palmen, Papayas, Avocadobäumen und einem Freiluftfrisör bei der Arbeit versetzt uns in euphorische Stimmung. Einen Blick hinter die Kulissen dieser trügerischen Idylle können wir dann auf der Hauptstraße zum Hafen werfen. Dicht aneinander gereiht säumen lose zusammengezimmerte Bretter- und Wellblechhütten unseren Weg, Kinder spielen im Schmutz und winken uns lachend zu, Leute nicken freundlich von halb verfallenen Terrassen. Etwas gedämpfter Stimmung erwerben wir schließlich
unsere Tickets für die Komodo-Fähre am nächsten Morgen. Ein köstliches Abendessen auf unserem Hügel
in Gemeinschaft mit einigen Gäste und mit Blick gen Westen in die untergehende Sonne verdrängt unsere Konfrontation mit der Armut wieder ein wenig.

    Nach einer fast schlaflosen Nacht aufgrund eines lautstarken Beziehungsdramas im Nachbarzimmer und Lindas Jagd auf eine Riesen-Kakerlake im unbeleuchteten Mandi (indonesisches Bad: Wasserbottich mit Schöpfkelle und nicht zum Hineinsteigen) geht es morgens auf einem überfüllten Schiff weiter nach Komodo.


Komodo-Kontakt

Was auf - egal welchen unserer- Landkarten wie ein Katzensprung aussieht, entpuppt sich als Überfahrt von nahezu sieben Stunden. Weit draußen in einer riesigen hufeisenförmigen Bucht im Osten der Insel Komodo ankert unsere Fähre. Nun heißt es: umsteigen auf eine kleine Nussschale, zusammen mit zwei anderen Touristen und an die zwanzig Einheimischen, einem Haufen Säcke, Käfigen mit Hühnern, Körben voller Lebensmittel, Gemüse und zahllosen Wasserflaschen. Wir steuern auf Kampung Komodo zu, ein winziges Fischerdorf mit bunten Häusern auf Stelzen, vom Meer aus malerisch flankiert von Bagans, den typischen großen Auslegerbooten.
   Wir halten Ausschau nach der Anlegestelle, einem Steg oder Ähnlichem - nichts zu entdecken. Zwanzig Meter vor dem Strand stoppt unser Kapitän, die ersten Passagiere (die einheimischen) springen vom Boot und schwimmen ans Ufer. Ein Junge kommt mit einem Einbaum zu Hilfe und beginnt, Säcke und Flaschen aufzuladen. Wir und unsere beiden französischen Mitreisenden fragen uns, ob man uns wohl auch den Einbaum anbietet. Vorsorglich schon mal unsere Schuhe ausziehend und auf die Rucksäcke schnürend warten wir, bis Dorfbewohner und Proviant von Bord sind. Nach Übergabe der letzten Wasserflasche gibt der Käptn Gas und deutet auf einen imaginären Ort hinter die steile Klippe, die den Strand begrenzt. Zu unserer
Erleichterung (wir sahen uns alle schon mit den Rucksäcken die letzten Meter durchs Wasser an Land pflügen) betreten wir schließlich über einen Holzsteg festen Boden, den Komodo Nationalpark.

   Ein Ranger geleitet uns zu einem Wachposten, einer winzigen Bretterbude am Eingang des Camps, die uns im Verlauf unseres hiesigen Aufenthalts noch richtig ans Herz wachsen sollte. Wir staunen nicht schlecht über die Anmeldeformalitäten: Zwei beidseitig mit den denkbar skurrilsten Fragen bestückte DIN-A4-Seiten-Fomulare gilt es auszufüllen. So setzen wir denn geduldig den Geburtsort und Beruf unserer Väter ein sowie Geburtsnamen der Mütter (sofern noch am Leben) und vieles mehr; jedenfalls ausreichendes Material für eine Studie des Privatlebens und Reiseverhaltens von Homo Sapiens. Die separat auszufüllende Gästeliste amüsiert uns ganz besonders: Unter den Angaben zu Name, Ankunft, Abreise und Beruf weist sich der Listenerste als "Supervisor" aus. Erstaunlicherweise auch die zirka zwanzig darunter stehenden - mit zwei Ausnahmen: Es gibt noch einen Zimmermann und eine Hausfrau. Der Franzose setzt unter den letzten Supervisor seine Gänsefüßchen - es scheint ja wohl eine unbedenkliche Berufsgruppe hier zu sein -, und wir sorgen mit Coordinator und Producer für ein wenig Abwechslung.
   Weshalb wir keine Angaben zur Aufenthaltsdauer gemacht hätten, will der Campleiter wissen. Die Antwort, so drei bis vier Tage oder auch mehr, scheint ihm zu missfallen, wir wollten halt keine unpräzise Angabe eintragen. Er informiert uns, dass wir auf jeden Fall jetzt gleich für die erste Nacht zahlen müssen, außerdem legt jeden Dienstag und Donnerstag die Fähre an und ab. Unser Vorschlag, gerne auch für drei Nächte im Voraus zu bezahlen, wird strikt abgelehnt - hier wird für jeden Tag der Obolus separat entrichtet. Na gut, es soll uns recht sein.

    Unsere Hütte mit mehreren Räumen, spartanisch, aber sauber, teilen wir mit den Franzosen und haben Terrasse mit Blick aufs Meer. Herz und Versorgungszentrum des Camps ist eine Cafeteria mit übersichtlichem Speise- und Getränkeangebot (Nudeln, Reis, Pfannkuchen, dasselbe als Suppen, Kaffee, Wasser, Seven-Up, ein No-Name-Cola und Bintang - ein wirklich nicht übles indonesisches Bier). Aber sie ist wundervoll gelegen in Strandnähe, open air, mit Balken gestütztem Strohdach (das Lebensraum für eine artenreiche Fauna bietet), der Kaffee wird in einem Viertelliter-Glasbierkrug serviert, ist heiß, süß und schmeckt köstlich! Wir sind im Paradies. Aus allen Bäumen ertönt lautes Gekreische und Vogelgezwitscher. Kleine Hirsche grasen rund um uns, im Laub scharren Großfußhühner, schlanke schwarze Wildschweine warten, ob etwas Essbares über die Brüstung fliegt, und neben unserem Tisch lauert ein riesiger Kolkrabe auf Beteiligung an unseren Pfannkuchen.
   Und da entdecken wir glatt unsere erste Riesen-Echse, einen Komodo-Waran. Reglos, mit geschlossenen Augen, den Kopf auf seine krallenbewaffneten Füße gestützt, liegt er im Schatten einer Hütte direkt neben dem Küchentrakt - ein ausgewachsenes Exemplar in seiner vollen Länge von dreieinhalb Metern. Wohl ein altes und krankes Tier, das im Camp sein Gnadenbrot erhält (das hoffen wir zumindest). Als direkt vor seiner Schnauze ganz gemütlich zwei Schweine vorbeistreifen und nichts passiert, hält uns nichts mehr auf den Stühlen. Wir pirschen uns ganz vorsichtig an das Tier heran und wahren einen gehörigen Abstand, damit wir notfalls schnell wieder auf die Terrasse zurücksprinten können, falls der Kerl doch munterer sein sollte, als er vorgibt. Begeistert und nicht ohne wohlige Schauer bannen wir den Dino-Nachfahren auf unzählige Fotos, wer weiß, ob wir so etwas hier tatsächlich noch zu sehen bekommen. Überschwänglich und restlos glücklich über die unerwartet rasche Sichtung nehmen wir sofort die Erforschung des Strandes in Angriff. Unsere gerade vor kurzem noch gegenseitig eingestandene Müdigkeit ist wie weggeblasen.
   "You did not pay your food!" begrüßt uns aufgebracht der Cafeteria-Chef, als wir später am Abend wieder auftauchen um etwas zu trinken. Bestürzt müssen wir zugeben, dass er Recht hat - wir haben es nach der spannenden Einlage mit dem Waran glatt vergessen. Was für ein peinlicher Einstand!

Von Drachen und dem rauen Charme der Ranger

Nächster Morgen, 7 Uhr: Eine Gruppe von inklusive uns zehn Leuten sammelt sich vor der Cafeteria zu einer geführten Wanderung dahin, wo sich viele Warane aufhalten sollen (gegen Cash am Vortag gebucht). Uns wundert es nicht besonders, als einzige vom Parkführer befragt zu werden, ob wir den Ausflug schon bezahlt haben.
   Auf einem schmalen Trampelpfad, durch Stechpalmen-Gestrüpp und ein ausgetrocknetes Flussbett entlang, wandert unsere fröhliche kleine Gruppe bei über 30 Grad Hitze unter anderem vorbei an Schildern, die uns mahnen: "Keep silent: Danger!" Spätestens jetzt ist allen bewusst, wo wir hier herumlaufen: in den Jadggründen der größten Landraubechse unseres Planeten. Und keiner, der jetzt nicht misstrauisch links und rechts vom Weg ins Gebüsch späht. Unser mit einer Art Wanderstab bewaffneter Ranger vermittelt uns für den Fall eines Angriffs nicht gerade den Eindruck des optimalen Beschützers.
   Wir erreichen ein umzäuntes Gelände - die Stelle, wo früher für Touristen die blutigen Spektakel der Waranfütterungen mit Ziegen inszeniert wurden. Heute gibt es das nicht mehr - auch hier hat man erkannt, dass Anfüttern den Artenschutz nicht gerade fördert. Was wir zu sehen bekommen, sind offenbar noch einige Kandidaten aus den vergangenen Schlaraffenland-Zeiten. Sie liegen hier faul herum, vermutlich alt und immer noch darauf hoffend, etwas zum Fressen vorgeworfen zu bekommen. Bei manchen stehen die Rippen bedenklich vor. Unser Ranger stupst einen trägen Riesen mit dem Stöckchen leicht in die Seite, damit sich etwas rührt. Irgendwie sind wir hin und her gerissen zwischen Begeisterung über den nahen Kontakt zu diesen mächtigen und wirklich beeindruckenden Geschöpfen und Bedauern angesichts ihrer Lethargie an diesem Ort. Jedenfalls tut es uns bis heute Leid, dass wir uns nicht zu einer geführten Tagestour in die "richtige" Wildnis aufgerafft haben, um sie in ihrem natürlichen Lebensraum bewundern zu können.

   Nachmittags am Strand (man kann dort herumlaufen und sich frei bewegen - im Gegensatz zum größten Teil der Insel) sehen wir einen Mini-Waran (etwa eineinhalb Meter lang) vom Wasser in die Dünen flitzen. Etwas beunruhigt behalten wir nun auch die Umgebung im Auge und gucken nicht mehr nur aufs Meer hinaus oder staunen über die Korallenäste und unglaublichsten Muscheln, die hier einfach und tonnenweise im Sand verstreut umherliegen: konische und gepunktete Perlmutt-Schneckengehäuse in allen Größen, glatte, gezackte und geriffelte Muscheln bis hin zur Mördermuschel in Waschbeckengröße. Und einen Hirsch am Strand sieht man auch nicht alle Tage.

   Abends auf dem Weg zur Cafeteria stoppt uns der Campleiter. Ob wir denn schon für diese Nacht bezahlt hätten, will er wissen. Wir haben nicht daran gedacht und folgen ihm beschämt in sein kleines Büro am Eingang des Camps. Unser Abendessen zahlen wir sicherheitshalber schon mal, als die Teller auf den Tisch kommen. Unsere Freunde, die kleinen schwarzen Schweine, lauern schon unter der Terrasse, während wir unseren Tisch einen halben Meter von einer vom Dachbalken herunterhängenden Fledermaus wegrücken.
   Krönender und erheiternder Abschluss des Dinners ist der kleine Zwischenfall, als eine dicke Ratte mit lautem Plumps auf dem Nachbartisch landet und der junge Fremdenführer des Pärchens kommentiert:"Oh, a big mouse". Erleichert nimmt die aufgesprungene Dame wieder Platz.
   Nachts lauschen wir einer wahren Symphonie fremdartiger Geräusche rund um uns. Es zirpt und pfeift, raschelt, brummt, krächzt, piespt, kreischt und zwitschert in allen Tonlagen und Lautstärken unter einem fremden, unglaublich klaren und mit Sternen übersäten Himmel.

Kampung Komodo und ein Tag auf dem Meer

   Das kleine Fischerdörfchen, das wir bei Ankunft nur vom Wasser aus betrachten konnten, ist unser nächstes Ziel. Sicher finden wir dort jemanden, der uns mit einem Auslegerboot ein wenig um die Insel schippert. Nicht ohne vorher den Zahlmeister aufgesucht zu haben, machen wir uns auf zur Strandwanderung. Angeblich ist man recht schnell dort, und an der hohen Klippe kurz vorm Ort kommt man ganz bequem unten herum vorbei (zumindest solange keine Flut ist, wie wir am Nachmittag dann feststellen. Glück gehabt...).
    Das Meer hat sich über Nacht mit der Ebbe gewaltig zurückgezogen und eine bunte Unterwasserwelt aus Korallen, Schwämmen, Seeigeln und Seesternen freigelegt. Ganz fasziniert betrachten wir die bizarren, in der Sonne glitzernden Formen.
    Nach einem Zweistundenmarsch (mit Gucken natürlich - aber unter "recht schnell" hatten uns auch was anderes vorgestellt) umrunden wir die Klippe trockenen Fußes und erreichen Kampung Komodo. Kaum am Ortsrand angelangt, umringen uns Kinder. Mit Deuten auf uns, ein Boot am Strand, aufs Meer und kreisendem Finger versuchen wir unser Glück. Ein älterer Mann stößt dazu, und nach einem kurzen Palaver geht es im Pulk quer durchs Dorf zu einer Hütte abseits vom Strand, die bei weitem nicht mehr so schmuck ist wie die bunten Häuschen in der ersten Reihe. "Captain", sagt der alte Mann und deutet auf einen jüngeren, der im Staub unter seiner Behausung sitzt. Wir verhandeln erst gar nicht über den vorgeschlagenen Preis von umgerechnet 15 Euro für den ganzen Tag und hoffen, dass wir die Handzeichen für "morgen 9 Uhr vor dem Camp" richtig gedeutet haben.

   Nächster Morgen, erster Tagesordnungspunkt: zur Campleitung. Zum ersten Mal mit wohlwollender, wenn nicht gar fröhlicher Miene informiert uns unser Freund über die nachmittägliche Ankunft einer Fähre. Da wir aber noch bleiben möchten, legen wir das Geld für die heutige Übernachtung auf den Tisch und fragen nach dem nächsten Schiff, das Sumbawa anläuft. Wieder um einiges mürrischer geworden, gibt unser Lieblingsranger eine Alternative - zwei Tage später "aber 9 Uhr Früh!" - preis.

   Während wir noch Kaffe trinken, nähert sich tuckernd ein Bötchen. Es hat wirklich geklappt! Anstelle des "Captains" nehmen uns zwei Jungs, vermutlich die Söhne, an Bord. Unser Auslegerboot ähnelt nicht gerade denen, die wir in Kampung Komodo gesehen hatten. Wir stören uns jedoch nicht weiter an abgebrochen Planken, dem mit Rissen übersäten Mast und zersplissenen Schnüren, die Ausleger und Rumpf zusammenhalten. Mit knatterndem Zweitakter (das Segel ist wohl auch kaputt) stechen wir in See.
   Nachzufragen wie die Tour so aussehen wird, ist sinnlos - wir verstehen einander nicht. Aber uns ists egal, wir freuen uns über alles, was wir neu entdecken können. Erster Stopp nach einer erstaunlich flotten Fahrt ist der so genannte Red Beach, ein Schnorchelparadies erster Güte, wie wir gehört haben. Dumm nur, dass es im Camp nichts zu leihen gegeben hat. Die kleine lauschige Bucht macht seinem Namen alle Ehre - ihr Sand besteht aus ganz fein gemahlenen roten Korallen, was dem Strand seine unverschämt rosa Farbe verleiht.
   Während wir das Ufer erforschen (und neidisch die weit draußen umherdümpelnden Schnorchler registrieren), machen unsere beiden Seeleute ein Nickerchen. Hans läuft ans Strandende und untersucht ein paar Felsen, Linda den rosa Sand. Später berichtet er ihr, ihn hätten dort Hunderte von asselgroßen Sandflöhen im Wasser angefallen.

   Die Fahrt geht weiter entlang Mangroveküsten, durch enge Wasserstraßen, gesäumt von winzigen weißen Sandbuchten und zerklüfteten Vulkanfelsen. Der kleine Bruder hat Hunger bekommen. Aus einem Blechtopf füllt er sich eine Handvoll Reis in einen Napf, den er dann kurz ins Meer taucht. Die Schnellwürze - nicht dumm. Nächster Halt ist eine kleine vorgelagerte Insel, Zeit für die Kids für ein Mittagsschläfchen nach dem Essen. Flink wie die Wiesel sichern sie sich das einzige Halbschattenplätzchen der Bucht unter einer allein stehenden Mangrove. Wir binden uns Handtücher um den Kopf und laufen wacker - es hat locker über 40 Grad - den Strand entlang. Der Boden ist ein einziges Konglomerat aus exotischen Schneckenhäusern, Korallen, Muscheln, die markanten und monströsen "Schüsseln" der Mördermuscheln ragen hier zu Hauf aus dem Sand - teilweise Exemplare von über sechzig Zentimetern Durchmesser. Trotz schlechtem Gewissen, zu einem Abbau dieses natürlichen Überflusses beizutragen, erklären wir zwei hübsch gepunktete Schneckenhäuser mittlerer Größe zu Souvenirs und nehmen sie mit. Als wir schließlich vom Ufer ablegen, springt knapp vor unserem Boot ein großer Stachelrochen in die Luft. Mach`s gut - es war ein wunderschöner Tag!

Unerwarteter Abschied in Ehren

Nachts erschüttert ein grauenvolles, lang anhaltendes Trampeln das Innere unserer Hütte, direkt vor der Zimmertür, raus auf die Terrasse, rein und wieder den Gang entlang. Linda stehen die Nackenhaare zu Berge, da ihr sofort die Anektote im Reiseführer über einen Schweizer in den Sinn kommt, der hier vor Jahren von einem Waran aus dem Zimmer gezerrt und tödlich verletzt wurde. Plötzlich ist der Spuk vorbei, und wir sind wieder eingehüllt in die beruhigenden Klänge des Nachtkonzerts.

   Wie immer unser Gang zum Office und die Rate für die Nacht gelöhnt - für unsere letzte hier, wie wir betonen. Was wir denn gestern den ganzen Tag gemacht haben, will der heute leidlich gut gelaunte Campleiter wissen. Wir berichten von unserem Bootstrip, und er nickt uns zu (schwer zu sagen, ob mit grimmigem oder zu einem Lächeln verzogenen Gesicht) "Ah, swimming and snorkling". Sehr witzig!
    Wir lassen unseren letzten Tag gemütlich angehen: kein Programm, nur relaxen im Camp und am Strand. Heute erfahren wir auch den Grund, weshalb jeder Ranger, der an einem Baum vorbeikommt, an den Ästen rüttelt. Es fallen dann jede Menge Früchte auf den Boden, und alle Schweine und Hirsche traben flink herbei, um sie zu vertilgen. Nur die Großfußhühner scharren unbeeindruckt das Laub zu großen Haufen zusammen.
   Die Insel ohne einen der schon am ersten Abend gesichteten wundervollen, handwerklich äußerst liebevoll und detailgetreu geschnitzten Holzwarane zu verlassen, kommt nicht in Frage; sie wären auch für unsere Lieben daheim ein originelles Mitbringsel. Also schlagen wir zu und ordern am Cafeteria-Tresen bei unserem Kellner zwei 30-Zentimeter-Exemplare und zwei kleinere. Billig sind sie nicht: Die großen kosten satte dreißig Dollar, die kleinen fünfzehn. Aber da sie etwas ganz Besonderes von einer ganz besonderen Insel sind, und wir ohnehin bisher kaum Geld ausgeben konnten, ist es uns egal. Unsere Kaufabsichten nimmt man uns erst ab, als die Scheine auf dem Tisch liegen. Sofort setzt sich ein Ranger an unseren Tisch und bittet darum, ein Formular auszufüllen: wie es uns gefallen hat, was wir optimieren würden, ob es so bleiben soll. Wir erfahren, dass die Holzwarane von den Einwohnern Komodos gefertigt werden und der Erlös aus den Verkäufen zur einen Hälfte ihnen und der anderen der Park-Instandhaltung zu Gute kommt. Jetzt sind auch wir sehr glücklich und gerührt: Der Kellner fragt zum ersten Mal, was er uns servieren darf, auf dem Weg zum Strand grüßen uns Menschen. Der Campleiter erinnert uns höflich daran, pünktlich um 9 Uhr Früh am Steg zu sein.

    Es gefällt uns gar nicht, dieses kleine Paradies zu verlassen. Aber wir werden um halb acht geweckt (zu allem Überfluss auch noch vom Mann, der die Zimmer putzt, gefragt, ob wir diese Nacht bezahlt haben) und stehen pünktlich mit unseren Rucksäcken und den mühevoll darin verstauten vier Waranen auf dem Steg. Wir würden sie nun vier Wochen lang mit uns herumschleppen, auspacken, einwickeln und letztlich alle mit abgebrochenen Schwänzen nach Hause bringen. Wie wir erfahren, ist die Neun-Uhr-Fähre kaputt gegangen. Unseren Abschied können wir somit noch etwas hinauszögern - bis zur Dreizehn-Uhr-Fähre. Dann heißt es: Bye bye, Komodo!