Auf Safari im Etoscha-Nationalpark

In der schicken Mushara Outpost, etwa 20 Kilometer östlich des Etoschaparks und Namutoni-Gates, stehen uns drei richtig herrliche afrikanische Nächte mitten im Busch und in - recht luxuiös ausgestatteten - Safarizelten bevor. Eine ideale Basisstation für die Erkundung des Nationalparks. Heidi war zunächst enttäuscht, uns nicht in einem der drei Camps drinnen unterbringen zu können - sie waren alle ausgebucht. "Ausgebucht" bedeutet in diesem Fall allerdings, dass die großen Reiseveranstalter aus aller Welt pauschal und Jahre im Voraus die meisten Plätze belegen - weg gehen sie allemal. Ärgerlich für Einzelreisende, die sich über einen so langen Zeitraum nicht festlegen können.
   Camp-Feeling stellt sich hier auch ein. Die einzelnen Zelte - eigentlich sind es Blockhütten unter einem Zelt und auf Stelzen - liegen großzügig verstreut zwischen dichter Buschvegetation, direkt vor unserer Terrasse ziehen Buschböcke vorbei, Zebramangusten tollen zwischen umgestürzten Baumstämmen umher, Lärmvögel, die grauen Loris, schimpfen von den Ästen. Ein Wasserloch gibt es auch, an das Kudus und Giraffen kommen. Was will man mehr.
   "Dinner" gibt es open air, wir kommen mit dem sehr freundlichen speziell uns zugeordneten Kellner ins Gespräch. Er erzählt über seine Zeit als Ranger im Park, zeigt uns auf
einer Karte die besten Stellen für Tierbeobachtung (die wir alle eifrig notieren) und berichtet über eine Ausbildungsinitiative für Einheimische, um sie vor Ort in gastronomischen und Touristikbetrieben unterbringen zu können. Ein perfekter Abend in stilvoller Umgebung, nur das Kudu ist unseren beiden kritischen Teammitgliedern wieder zu "well done". Hans ist glücklich, so mag er Steaks am liebsten, und Linda hat Huhn, das absolut lecker schmeckt.

   Das Frühstück hat Heidi heute für 7 Uhr anberaumt. Dass Wildbeobachtungen in den frühen Morgenstunden die lohnendsten sind, daran ist schon was. Hans und Linda gehören nicht gerade zu den beigeistertsten Frühaufstehern - viele aufregende und außergewöhnliche Begegnungen hatten sie bisher auch zu beliebigen anderen Tageszeiten; es ist halt alles Glückssache. Heute jedenfalls hält es niemanden zu lange im Bett: Wir wollen in den Park! Um halb neun sausen allerdings immer noch einige übers Gelände, um irgendwelche in der Hütte vergessenen Dinge ins Auto zu verfrachten.
    Die Schlange beim Parkeingang hält sich in Grenzen. Für nette Unterhaltung sorgt eine Kleinbusladung Schulkinder, die sich erstaunlich gesittet und flott für ein Gruppenfoto vor dem Wärterhäuschen postieren. Im Häuschen erhalten wir unser Dreitage-Permit, bezahlt wird sechs Kilometer weiter im Fort Namutoni. Das Namibia-Team, das sich schon extra früh auf die Pirsch begeben wollte, steht etwas verloren vor dem Office. Das Scheckkarten-Lesegerät funktioniert nicht, Bargeld haben sie nach dem Volltanken nicht mehr ausreichend dabei - sie kommen nicht in den Park. Wir legen zusammen, und das Abenteuer kann beginnen.
   1907 zum Wildreservat erklärt, umfasst der ehedem 55.000 Quadratkilometer große Etoscha Nationalpark nach etlichen staatlich verordneten "Schrumpfungen" zugunsten von Homelands und erneuten Erweiterungen heute 22.000. Seinen Mittelpunkt bildet eine riesige Salz-Ton-Pfanne, die nach ausgiebigen Regenperioden von etlichen Zuflüssen gespeist wird und sich in einen immensen See verwandeln kann. In der Trockenzeit, wenn das Wasser verdunstet ist und die im feuchten Boden gelösten Mineralien sich abgesetzt haben, entsteht dort eine rissige Salzkruste. Für die Tiere also ein Anziehungspunkt zu jeder Jahreszeit. Im Gegensatz zum üppigen, mit Flüssen durchzogenen Krügerpark in Südafrika ist Etoscha ein karg anmutender Ort, trocken, mit niedriger Vegetation, bietet aber riesigen Tierherden genügend Lebensraum und Nahrung. Wir haben gehört, dass die Tiere hier auch etwas scheuer sind. Der kleine Schakal gleich hinterm Fort jedenfalls nicht. Als wir anhalten, kommt er fast bis an die Autotür. Wahrscheinlich kriegt er des Öfteren ein paar Leckereien vom Namutoni-Frühstücksbuffet ab.
    Wir sind auf dem Weg zum Chudob-Wasserloch. Ein Freund hatte mal gemeint, dass es eigentlich genügen würde, den ganzen Tag einfach nur an einer solchen Stelle zu verweilen - die Tiere kämen dann schon alle. Recht hatte er. Was hier geboten ist, übertrifft wirklich alles, was wir bisher erlebt haben. Giraffen, Elefanten, Perlhühner, Zebras,
Elen-Antilopen, Gnus, Kudus, Schakale, Warzenschweine, Oryx und Löwen. Denen lässt man den Vortritt. Manchmal gibts ein wenig Ärger, dann zieht man sich halt noch ein Stückchen weiter zurück und wartet ab, bis sie wieder verschwinden. Ein faszinierendes Spektakel, nur ein paar Meter entfernt. Die Begeisterung der Reisegruppe im Bus hinter uns schallt recht lautstark über die Senke, irgendein Blödmann in einem anderen Auto hupt auch noch. Aber die Tiere scheint's nicht sonderlich zu stören, nur ab und zu guckt eines herauf.
   Es fällt schwer, sich loszureißen, aber wir wollen noch zum "See", und auf dem Weg dorthin soll auch ein beliebtes Elefantenbad sein. Wir bewegen uns auf blendender, weißer Schotterpiste. Hier darf 60 gefahren werden, die meisten nutzen dies auch aus und stauben uns beim Überholen kräftig ein. Die Fahrerei ist anstrengender als man denkt, vor allem für die Augen, trotz Sonnenbrille; die Wellblechpiste schüttelt uns durch und wir entwickeln einen für uns untypischen Durst. Den Besuch eines der Toilettenhäuschens unterwegs absolvieren wir recht zügig und unter abwechselnder Bewachung aus dem sicheren Auto heraus. Das Foto in einem unserer Reiseführer mit den drei Löwen vor der Klotür fanden wir daheim noch witzig, aber "live" ist uns das hier nicht ganz geheuer.
    In die "Pfanne" hineinfahren kann man vom Südufer aus - allerdings nur ein paar Hundert Meter weit. Eine unendliche flache, dürre und verkrustete Ebene liegt vor uns, kein Horizont im Norden zu sehen, nur schemenhaft hebt sich das südliche Ufer ab. Und trotz des Eindrucks, hier mitten in einem leblosen Nichts zu stehen, gibt es dort draußen Wasser - ein Schwarm Pelikane zieht in eleganter Formation über uns hinweg und verschwindet im entfernten Dunst. Es ist angenehm, sich mal die Beine vertreten zu können - Aussteigen ist hier erlaubt, der Ort ist ja recht übersichtlich. Zwei Südafrikaner bitten uns, ein Foto von sich und ihrem schicken Jeep mit der Pfanne im Hindergrund zu machen. Dann wird gewechselt, und wir sind dran. Beim ersten Versuch sind unsere Beine und das halbe Auto abgeschnitten - der dritte Anlauf ist zufriedenstellend.
   Der Tag ist viel zu schnell vorangeschritten, besser sich langsam in Richtung Gate zurückzubewegen - zumal wir versäumt haben, uns bei den Rangern im Office zu erkundigen, wann man den Park verlassen muss. Die riesigen, für Sehschwache wie Analphabeten eigentlich sehr praktischen Uhren am Gate, die Einlass- und Schließungszeit anzeigen, haben wir zwar gesehen, aber die mit der Abendeinstellung hing schief und hatte zwei gleich lange Zeiger. Sah eher nach halb sechs aus, halb sieben meint indes unser Park-Plan. Wir gehen lieber auf Nummer Sicher und statten den unweit vom Fort Namutoni und dem Ausgang gelegenen Wasserlöchern Klein- und Groß-Okevi noch einen Besuch ab.
   Klein-Okevi - mit einem einsam trinkenden Kudu - liegt malerisch inmitten dichter Vegetation. Neben Chudob mit seiner Fülle an Leben nimmt es sich eher bescheiden aus.Als sich das Kudu in die Büsche schlägt, verlassen auch wir den Ort.
   An der Teerstraße bremst vor uns ein Reisebus. Köpfe, Ferngläser und Kameras hängen links aus den Fenstern - hier gibt's offenbar etwas besonders Interessantes zu sehen. Für uns nicht, wir sind zu weit unten und gucken nur in staubiges Dickicht. Gespannt warten wir ab. Dann schlendert ein junges Löwenmännchen vorm Bus vorbei, über die Straße und genau in Richtung des Wasserlochs, von dem wir kommen. Nichts wie Gang rein und hin - ebenso der Bus. Dank unseres platzsparenden Fahrzeugs können wir uns einen Tribünenplatz für den Auftritt sichern. Der Löwe kommt tatsächlich. Nach einer Rast unter einem etwa fünf Meter entfernten Busch - wahrscheinlich stehen wir genau auf seinem Trampelpfad - begibt er sich gemächlich ans Wasser.
   Da heute ohnehin nichts mehr diese Begegnung toppen kann, kehren wir nach dieser Einlage glücklich und zufrieden zum Ausgang zurück - um halb sechs und eine Stunde zu früh, wie wir erfahren. Ein ähnlich Adrenalin förderndes Abenteuer kann das Team mit Hans Nummer zwei heute verbuchen: einen Radwechsel im Park - auch nicht schlecht!

   Am zweiten Etoscha-Tag wollen wir die Park-Mitte näher erkunden und beim Halali-Camp vorbeischauen. Eine Nebenroute namens "Rhino-Path" hört sich spannend an, auf der Karte sind etliche Wasserlöcher eingezeichnet."Path" ist zutreffend. Die Strecke erfordert Konzentration, sie ist übersät mit tiefen Löchern und tückischen Wellen, die man erst im allerletzten Moment wahrnimmt - nach Tieren Ausschau zu halten, ist - zumindest für den Fahrer - nicht drin. Die Wege zu manchen Wasserlöchern sind teilweise unbefahrbar, und wir müssen wenden - manche Wege sind zu schaffen, die Wasserlöcher aber nicht vorhanden, da ausgetrocknet. Goas ist unterwegs die einzig lohnende Stelle mit Zebras, Kudus und Impalas. Es dauert eine Ewigkeit nach Halali. Und einem Rhino begegnen wir natürlich auch nicht.
   Im Camp treffen wir das Heidi-Team. Man legt gemeinsam ein kleines Päuschen und einen knappen Rundgang ein. Unseren Fahrzeugen wollen wir auch noch eine Tankfüllung spendieren. Mit Benzin gibt es keine Probleme, die Zapfsäule mit Diesel hingegen ist leer, und Heidi bleibt nichts anderes übrig als zu hoffen, es bis Namutoni zurück auch so zu schaffen. Zum "running gag" entwickeln sich die sehr häufigen Sichtungen der angeblich so selten gewordenen, scheuen Riesentrappen. Ehrfürchtig bestaunten wir noch am ersten Abend ein Foto, das Heidi von dieser Rarität geglückt ist.
Wie wir mittlerweile alle festgestellt haben, gedeiht die Riesentrappe in dieser Gegend offenbar prächtig. Ständig steht entweder eine irgendwo herum, stolziert am Straßen-
rand entlang oder kreuzt die Piste, nicht selten tollen und flattern sie in Gruppen umher.
   Auch am dritten und letzten Tag hier heißt es wieder: Früh aufstehen! Heute geht es quer durch den Park, beim Anderson-Gate im Westen hinaus und weiter zur Naua-Naua Game Lodge und weiteren Abenteuern entgegen. Ein paar Stunden gemütliche Safari entlang der Hauptstraße mit kleineren Abstechern liegen noch vor uns.
   Wir freuen uns wie immer am Anblick von querenden Giraffen, Herden von Zebras, Gnus sowie anderen großen und Kleinst-Antilopen. Unseren Schakal gleich bei Namutoni sehen wir auch wieder. Heute buddelt er an seinem Bau herum. Nach einem ausgiebigen Besuch des stets lohnenden Chudob machen wir uns auf zum Wasserloch Rietfontein, wo gestern unsere beiden Co-Teams Löwen bei der Paarung beobachten konnten. Da sich diese Großkatzen für die Zeugung des Nachwuchses etliche Tage Zeit nehmen und das vorzugsweise an der gleichen Stelle, rechnen wir uns
gute Chancen aus, unsere Safari mit einem solchen Highlight abschließen zu können.
   Rietfontein, nur etwas abseits der Hauptstraße gelegen, scheint reichlich Wasser zu führen, eine Riesenherde Elefanten sehen wir bereits beim Abbiegen dorthin. Den Massen von kreuz und quer parkenden Fahrzeugen am Wasserloch nach zu schließen, sind die Löwen auch noch dort. Wir brauchen eine zeitlang, bis wir einen Platz finden, wo wir uns dazwischenquetschen können und einigermaßen freie Sicht auf die Szene haben. Und hier ist wirklich etwas geboten! Auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Wasserstreifens tummeln sich an die 30 Elefanten, darunter etliche Babys, baden, wälzen sich in Schlamm und Wasser, spritzen, trinken und trompeten lautstark. Einige Zebras und Springböcke stehen etwas abseits.
   Das diesseitige Ufer gehört dem Löwen-Paar, dem wir nun wie die Spanner eine Stunde lang zugucken: beim Schmusen, bei ihren sehr kurzen Paarungen und den dazwischenliegenden 20-minütigen Ruhepausen. So etwas haben wir live auch noch nicht gesehen. Um nicht dauernd Hans über die Schulter gucken oder fotografieren zu müssen, kriecht Linda auf die Rückbank. In der Hitze des Gefechts streift sie dabei das Lenkrad, und die Hupe geht los. Linda ist es sehr peinlich - unsere Autonachbarn werfen uns auch prompt entrüstete Blicke zu. Aber nun wissen wir wenigstens, wie es kommt, dass manche Idioten bei der Tierbeobachtung hupen.
   Leider heißt es irgenwann aufbrechen. Wir sind mit unse-
ren Freunden am Anderson-Gate verabredet, um gemeinsam zur nächsten Lodge weiterzufahren. Beim Sichten der Landkarte, wohin wir nun fahren werden, stellt Hans fest, dass seine Brille zerlegt ist: Ein Bügel liegt lose im Etui, das Schräubchen ist weg, und die Schraube am zweiten Bügel hat es bis auf die letzte Windung herausgedreht. Die Fahrerei auf Wellblech-Piste hat ihren Tribut gefordert. Dafür ist unser Auto innen nicht so restlos eingestaubt wie bei den anderen beiden Teams. Und Linda hat ja auch noch eine Brille.