Von Outjo ans Meer nach Swakopmund

Auch wenn wir drei Safari-Tage voller spannender Begegnungen und Wildlife pur gerade hinter uns haben - auf das heutige Abenteuer in der Naua Naua Lodge freuen wir uns schon - denn dort können wir Geparden hautnah erleben! Einige Exemplare dieser eleganten Raubkatzen, die in freier Wildbahn zunehmend vom Aussterben bedroht sind, haben dort eine Heimat gefunden, und Besucher können sie auf dem Gelände aus allernächster Nähe bewundern. Die letzten zwölf Kilometer Staubpiste nimmt Linda diesmal schon etwas beherzter mit wagemuten 80 - nachdem unsere Freunde vor uns schon wieder außer Sicht geraten und Hans bemerkt, hier könne man schon mal ein wenig mehr draufdücken.
   Naua Naua, eine knappe Stunde Fahrt vom Anderson-Gate entfernt, ist zauberhaft gelegen auf einer Anhöhe mitten in weitem, offenen Buschgelände, der Ausblick von der Lodge und ihren netten Bungalows ist spektakulär. Eine Stunde vor Sonnenuntergang geht unser geführter Game-Drive mit anschließendem "Sundowner" los. Nach kurzer Fahrt stoppt unser Guide neben einem Gehege, wo er uns seine "Jungs", vier drahtige, ausgewachsene Geparden vorstellt. Unsere Fahrt geht allerdings gleich wieder weiter, ein paar Hundert Meter, wo wir stoppen und zum Aussteigen angehalten werden. Nun sind wir aber gespannt! Kaum ist der letzte Fahrgast aus dem Jeep gesprungen, brechen die "Jungs" in atemberaubender Geschwindigkeit aus den Büschen: Eine satte Mahlzeit wartet hier auf sie - gottseidank auf der gegenüberliegenden Seite der kleinen Freifläche, aber in kaum mehr als fünf Metern Entfernung und kein Zaun dazwischen. Wir sind aber uninteressant, und es wird heftigst an Fleischbrocken gezerrt, um ergatterte Stücke gebalgt und geknurrt. Was für ein Spektakel - und wir quasi mittendrin!
   Abends kommen wir mit Kimberley, ausgesprochenes Original und Mitinhaberin der Lodge, ins Gespräch. Kimberley betätigt sich hier auch als Buschpilotin, ist eine richtige Frohnatur und eigentlich ein Mann. Linda konnte dem Angebot zu einem Rundflug am nächsten Morgen fast nicht widerstehen, aber das hätte den allgemeinen Fahrplan durcheinandergebracht. Schade! Aber so kann sich Kimberley wenigstens ungehemmt an unserem gemütlichen Umtrunk nach dem Dinner beteiligen.

   Kimberley kann bei Linda am nächsten Morgen mit einem Service ganz anderer Art punkten. Linda hat dummerweise ihre Lesebrille auf die Steinfliesen fallen lassen und sie mitten entzweigebrochen. Nun haben wir nur noch die kaputte von Hans, die er zum Lesen gegen das Gesicht pressen muss. Aber Kimberley kramt kurz in einer Schublade und zieht ein Supermarkt-Modell heraus - gar nicht unflott, knallorange mit schmalen Gläsern. Und Linda sieht damit besser als mit ihrer eigenen. Für zehn Euro wechselt der Besitzer, Kimberley freut sich und kräht ihr fröhliches, markantes Gelächter. Die Weiterreise ist gerettet!
    Über Outjo geht es heute in die Erongo-Berge. Den Abstecher zu Dino-Spuren brechen wir bald ab, die 80 Kilometer auf übler Piste sind leider nicht mehr drin. Bei einem Stopp in Omaruru erhalten wir unerwartet eine persönliche Führung durch die kleine, um 1900 erbaute katholische Kirche. Eine reizende alte Dame, offenbar die Hüterin des Gotteshauses, gabelt uns auf der Straße auf und will sie uns unbedingt zeigen. Ob wir Fürstenfeldbruck kennen, fragt sie nach dem Rundgang, dort wohnen ihre Verwandten. Wie klein doch die Welt ist...

    Am Eingang zur Erongo-Wilderness-Lodge werden wir bereits erwartet. Ohne Allrad geht es die letzten 800 Meter nicht weiter. Wir sind recht froh, einen Chauffeur zu haben, der Pfad ist sehr steil, mit Furchen durchsetzt und wirklich abenteuerlich. Die Landschaft um uns ist wieder mal atemberaubend, die Hüttchen - diesmal richtige Safarizelte, nur mit Strohdach geschützt - liegen versteckt zwischen bizarren Felsformationen verstreut und sind jeweils über schmale Treppen zu erreichen.
   Auch heute gibt es ein Abendprogramm: einen Sundown Drive mit kleiner Wanderung zu einer Höhle und Felsgravuren. In diesem Gelände werden wir erstmals Zeuge der wahren Hardcore-Allradpraxis: Luft raus aus den Reifen. Als der Motor danach nicht mehr anspringen will, helfen ein paar Umdrehungen mit der Handkurbel. Weiter geht es vorbei an den mächtigen, runden Granitformationen, einige mit bezeichnenden Namen wie Elephant's Head oder Bull's Party. Sie, ebenso wie die hier überall verstreut umherliegenden monströsen Kugeln, sind Ergebnis eines seit 200 Millionen Jahre andauernden Schliffs durch Wind und Wetter, der so genannten "Wollsack-Erosion".
   Vor dem Dinner inspizieren wir unser Zelt etwas näher. Komfortabel eingerichtet, mit Kühlschrank, Kaffee, Tee, warmen Wolldecken, Safe, die Terrasse mit Blick auf die malerischen roten Felsen - und sehr originell auch das mitüberdachte Bad im Freien, das vom Schlafraum aus durch ein Moskitonetz mit Reißverschluss begehbar und draußen in den Felsen eingelassen ist. Gut zugänglich auch für allerlei Getier - da werden wir nächtens lieber mal ganz genau in jedes Eck gucken.
   Dinner time - nicht nur wir finden uns beim Restaurant ein. Gesellschaft leisten uns Dassies, Glanzstare, Bulbuls, Liebesvögel und possierliche kleine, pelzige Kerle. Unser Gastgeber bezeichnet sie als "Rock Dassies". Eigentlich sehen sie eher wie größere Mäuse mit etwas dickeren Schwänzen aus. Flink wie Mäuse turnen sie auch über die Steine. Als einziges keinen Schwanz hat das Exemplar, von dem Linda ein Schnappschuss geglückt ist.
   Zu späterer Stunde treffen nachtaktive Gäste ein. Distanz zu uns wahrt ein Stachelschwein, keine Scheu zeigt dagegen eine Ginsterkatze, die geduldig in nächster Nähe abwartet, ob etwas für sie über die Brüstung fliegt. Wildtiere zu füttern ist untersagt - aber Ausnahmen kann man schon mal machen, meint unser Gastgeber. Die kleine Waise hat er selbst mit der Flasche aufgezogen. Für uns drückt er ein Auge zu und organisiert ein paar Fleischbröckchen, die wir dann über Bord werfen dürfen. Sicher sind wir nicht der einzige Ausnahmefall und hoffen, damit nicht allzusehr das natürliche Gleichgewicht im Erongo-Lebensraum gestört zu haben.
   Unser Bad ist zwar frei von Unterschlupf suchenden Geschöpfen, aber duschen werden wir lieber morgen. Zum ersten Mal ist es nachts richtig kalt, und die warmen Decken helfen auch nicht gegen den eisigen Luftzug, der durchs Zelt fegt. Am Morgen fragen wir uns, warum wir nicht einfach den hochgerollten Fensterschutz heruntergelassen haben.

   Ungewollt verzögern wir die heutige gemeinsame Weiter-
reise: Unser Safe, darin Papiere, Geld und Kamerazubehör, lässt sich nicht öffnen. Gestern hat`s noch funktioniert. Wir müssen warten, bis die Lodge-Managerin und einzige Inha-
berin eines Generalschlüssels, von einer Tour zurückkehrt.
   So erreichen wir unser nächstes Ziel genau zur Mittagszeit: die Spitzkoppe. Wie die Erongo-Berge entstand auch die Spitzkoppe, das "Matterhorn Namibias", durch sogenannte Intrusion - vor Jahrmillionen durchbrach Magma ältere Erdschichten, im Lauf der Zeit erodierte das weniger widerstandsfähige Gestein und übrig blieben die harten, auch hier zu spektakulären Formen geschliffenen Granite.
   Während es das Team mit Hans Nr. zwei vorzieht, schon mal kurz in die Namib hineinzufahren, das Heidi-Team über einen Klettersteig höhere Regionen bezwingt, bleiben wir lieber unten - genug heiß ist es auch hier - und erkunden flacheres Terrain. Ein karges Auskommen sichert sich ein Teil der hier beheimateten Damara mit dem Verkauf von selbstgefertigtem Spielzeug, Schlüsselanhängern und einfachem Schmuck aus diversen verfügbaren Materialien wie etwa alten Blechdosen.
   Vom üppigen Mineralienreichtum der Gegend profitieren die Leute auch ein wenig - an der Zufahrt zur Hauptstraße werden zahllose Kristalle, Edel- und Halbedelsteine in allen Größen zum Verkauf angeboten. Von Rose, unserer "Standfrau", erstehen wir ein paar hübsche Exemplare. Nach dem Deal fragt Rose, ob wir etwas zu essen für sie hätten. Gerne überlassen wir ihr unseren kompletten Reiseproviant - da erfüllt er wenigstens einen sinnvolleren Zweck als bei uns zwischen Frühstück und Abendessen.

    Aus dem für heute noch geplanten Abstecher zur wohl berühmtesten und skurrilsten Pflanze Namibias, der Welwitischia, wird nichts. Das die Spitzkoppe schmähende Hans-Zwei-Team, das sich schon vorzeitig in die Wüste absetzen wollte, meldet von unterwegs, dass die Piste dorthin samt Zufahrt zum Naukluft-Park für Besucher gesperrt ist. Dort laufen gerade Dreharbeiten für einen Abenteuerfilm. Na, da kann man nur hoffen, dass alles bald im Kasten ist. Denn genau dort vorbei müssten wir in zwei Tagen, wenn wir uns auf den Weg in die Namib machen. Aber wenigstens hat Hans bei der Gelegenheit erfahren, dass wir für den Welwitschia-Path ein separates Permit benötigen.

    Deutsche Vergangenheit und Gegenwart holen uns in der kleinen, um diese Jahreszeit ziemlich verschlafenen Küstenstadt Swakopmund ein. Die Grade purzeln merklich auf dem Weg dorthin. Uns empfängt feuchtkalter Dunst, ein kräftiger Seewind bläst uns entgegen. Unsere Pension für die nächsten zwei Nächte mit dem verheißungsvollen Namen "The Secret Garden" hat den Charme eines Seniorenheims der untereren
Mittelklasse und wird geführt von zwei zackigen Ladys von Internatsdirektorinnen-Format. Passend das Ambiente: enges Frühstückszimmer, enge spartanische Unterkünfte. Immerhin ist der "Garden" recht gemütlich, mit viel Grün, blühenden Pflanzen und Büschen, Tischchen und Stühlen. Eingemummt in unsere dicksten Pullover und Windjacken machen wir uns auf zum Abendessen, durch Kaiser-Wilhelm- sowie Bismarckstraße, vorbei am Hotel Europa Hof, Hohenzollern-Haus, Ludwigs-Apotheke und Alter Brauereistube. Endlich gibt's mal zur Abwechlung Fisch - Linda hängt das täglich servierte Fleisch schon langsam zum Hals heraus.
   Frühstück gibt es heute um 7 Uhr - auf dem Programm stehen eine Fahrt nach Walvis Bay, von dort aus um 9 Uhr eine Bootstour im und rund um den Hafen. Eine graubraune Masse in einem hübschen Schälchen am Buffet erregt Lindas Aufmerksamkeit. "Leberwurst!" antwortet in akzentfreiem Deutsch die hübsche Schwarze hinterm Tresen ganz pikiert auf Lindas Frage.
   Nach Walvis Bay sind es rund 30 Kilometer - entlang der mächtigen Dünen der Weißen Namib und des Atlantiks, die hier beide aufeinandertreffen. Die autobahnähnliche Straße verführt zum Schnellfahren, die zahllosen sandigen Verwehungen können jedoch tückisch sein. Außerdem ist die Sicht aufgrund dichten Nebels stark beeinträchtigt. Aber bis zum Hafen hat sich der Dunst aufgelöst, und bei strahlend blauem Himmel gehen wir an Bord unseres kleinen Motorboots.
    Pelikane heften sich bereits am Ufer an unsere Fersen und flankieren das Boot hartnäckig, bis unser Guide endlich die ersten kleinen Fische herausrückt. Etwas weiter draußen lernen wir "Fluffy" kennen, einen der vielen Seehunde, die hier schon auf die Turistenboote lauern und ganz ungeniert an Bord springen. Natürlich gibt's Fisch für den Besucher - und für die Passagiere den einen oder anderen Hops auf den Schoß. 400 Kilo drücken dann schon leicht auf die Beine. Gut weh tut es allerdings, als Spotty sich beim kraftvollen Sprung ins Wasser ausgerechnet auf Hans' Hand abstößt.
    Wir schippern vorbei an ausgemusterten Frachtschiffen, die zahllosen Kormoranen einen idealen Ausguck, Platz zum Trocknen und Nisten bieten. Immense Seehundkolonien, jede einzelne mit mehreren Hundert Tieren, bevölkern die Sandbänke, die die Walvis Bay im Lauf der Zeit bis auf eine schmale Öffnung zum offenen Meer hin verschließen. Kurzen Begleitschutz erhalten wir von Tümmlern und Delfinen, stetigen von Seemöwen und den unermüdlichen Pelikanen. Ab und zu schweben tellergroße Quallen in den unterschiedlichsten Farben vorbei. Hier werden Austern gezüchtet - die besten der Welt, betont unser Kapitän. Einem kulinarischen Test später enthalten wir uns und greifen lieber zu den belegten Broten. Wir mögen Austern nicht besonders. Eine unschlagbare Geschäftsidee ist die primitive Holzplattform in Strandnähe, wo einer einfach den Vogelmist erntet und damit Millionen verdient. Die "Produktion" von Guano ist hier immens - und entsprechend hoch ist der Absatz des begehrten Düngers.

    Bei einem ursprünglich nur für die Youngster vorgesehenen nachmittäglichen Vergnügen kann sich nun keiner mehr bremsen: Quad-Biken in den Dünen. Nach einer kurzen Einführung heißt es Helme aufsetzen und ab ins Gelände, schön in einer Spur und dem Guide hinterher - zunächst langsam, dann immer flotter. Als absolute Laien schlagen sich alle ganz prächtig, nur Linda bleibt anfänglich ab und zu mal auf Steilgelände hängen, bohrt die Räder in den Sand und würgt das Bike ab. Einen Mordsspaß macht es allemal, den Dreh mit dem richtigen Gasgeben und Gewichtverlagern hat man schnell heraus. Und überwältigend ist der Blick von manch hoher Düne hinaus in die endlos weite Namib.