Über Antequera nach Ronda

   Zweiter Anlauf für unsere Andalusien-Tour: nach Antequera, wo wir drei der bedeutendsten Megalithbauten der Iberischen Halbinsel besuchen wollen, jungsteinzeitliche Hügelgräber - Dolmen -, das nahe gelegene Jura-Gebirge El Torcal, die Schlucht El Chorro und das wohl bekannteste Weiße Dorf, Ronda. Einen Trip dorthin hatten wir uns im vergangenen Oktober verkniffen wegen eines hartnäckigen Tiefs über ganz Südspanien inklusive spektakulärer Regengüsse und verheerender Überschwemmungen.
   Diesmal ist's perfekt: Mitte September und nach Abklingen der letzten spätsommerlichen Bruthitze machen wir uns auf den Weg. Und wie immer auf gut Glück - ohne Hotel-Reservierung und, an unserer zugegeben mittlerweile unzeitgemäßen Tradition festklammernd, nur mit dem nötigsten Kartenmaterial ausgerüstet. Auch wenn wir schon seit geraumer Zeit über die mangelnden und mitunter gar irreführenden Ausschilderungen in Spanien fluchen, selbst aktuelles Kartenmaterial von zu Hause nie mit der Realität übereinstimmt, lokales Material eher künstlerischer Natur oder überhaupt nicht verfügbar ist, geht's immer noch unverdrossen ohne GPS auf die Piste.

Antequera

    Das Städtchen hätten wir auch ohne Karte gefunden - es hat eine eigene sogar nach ihm benannte Ausfahrt von der Autopista Granada-Sevilla. Man erreicht es über weitere 12 Kilometer durch eine liebliche hügelige Landschaft, ehe man auf das unvermeidliche periphere, unschöne Industriegebiet stößt, das dem Reisenden die Ankunft in einem größeren Ort bestätigt. An einem der zahlreichen mit Lagerhallen aus allen Branchen umsäumten Kreisverkehre entdecken wir einen Wegweiser zu den Dolmen. Wir hoffen, die jungsteizeitliche Architektur nicht zwischen Anbietern von Baumaschinen und genoptimiertem Saatgut aufzufinden, aber wenigstens wissen wir schon für morgen den Weg dorthin.
   Trotz jeder Menge Hotels - wir haben uns einen Stadtplan mit den Standorten von gut 10 ausgedruckt - gestaltet sich die Suche nach wenigstens einem davon schwierig. Nach einer beachtlichen Odysee durch den doch etwas größeren Ort landen wir beim Hotel Villas de Anticaria. Leider hat es nur für eine Nacht ein Zimmer frei - aber besser als weiter im Blindflug, außerdem haben wir Hunger. Unser Zimmer 302 befindet sich nicht direkt neben dem Liftschacht, dazwischen gibt's noch eine Tür mit der Nummer 301, für ein Zimmer dahinter ist eindeutig kein Platz - wahrscheinlich ein Fake, um meckernden Gästen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Egal - wir machen uns zum Abendessen auf den Weg in die Altstadt. Der abendlichen Kühle trotzend nehmen wir Huhn und Wein im Freien ein, schließlich haben wir fast noch Sommer. Wir fangen trotz Jacken bald an zu frieren.
   Nächster Morgen - wir müssen weiterziehen. Quasi um ein paar Ecken herum am Nordrand der Stadt ergattern wir ein Zimmer für die nächste Nacht: im hochmodernen Golf- und Spa-Hotel Antequera. Entspannt können wir nun unser hiesiges Programm angehen - als erstes den Besuch der Megalithbauten aus der Jungsteinzeit, Cuevas de Menga, Viera und El Romeral.
   Ganz einig bezüglich Alter oder Zweck dieser Dolmen sind sich Archäologen nicht: Datierungen variieren zwischen 2000 und 3500 vor Christus, die Auslegung der Nutzung schwankt zwischen Begräbnisstätten und Orten für Kult-Rituale. Manche Quellen schreiben über Knochenfunde im Inneren, manche über eben keine. Wie auch immer: Für uns ist's eine Premiere in Sachen neolithischer Architektur. Wir bestaunen ehrfürchtig die monströsen exakt behauenen Deck- und Stützsteine der Menga-Dolmen - der schwerste davon an die 180 Tonnen - und können nicht umhin, den Jungs von damals Respekt zu zollen, wie sie's geschafft haben, diese Dinger so aufzustellen (wir brechen schon zusammen, wenn wir ein paar lausige Steinbrocken zur Reparatur des Gartenmäuerchens in Hanglage zu schleppen haben). Beim Nachbarhügel, den Dolmen de Viera, kann man gerade mal einen Schritt ins Innere machen, hier ist es eng.
   Interessanter finden wir wieder die dritte Höhle, El Romeral. Knappe zwei Kilometer entfernt, bestens ausgeschildert durchs Industriegebiet, ist sie inmitten alter Zypressen sehr hübsch gelegen. Hier geht's wieder weit hinein - durch einen 20 Meter langen Gang in einen kreisrunden Raum mit beeindruckendem Deckengewölbe.
   Für Liebhaber jüngerer Epochen hätte Antequera genügend anderes zu bieten: Kirchen, Klöster, Museen und sehenswerte Häuser. Uns zieht es jedoch hinaus aus dem Städtchen - zum Kalksandsteingebirge El Torcal mit seinen bizarren Felsformationen.

El Torcal

   Auf einer schmalen, kurvigen Gebirgsstrecke einem lahmen Laster mit Gasflaschen voraussichtlich die nächsten 17 Kilometer und ungefähr auf Platz 12 in einer Autoschlange hinterherzuschleichen, empfinden wir sonst als eher lästig. Aber irgendwie ist's heute ganz entspannend, da es durch eine äußerst reizvolle Landschaft geht, die auf dieser Strecke sonst nur der Beifahrer genießen könnte. Außerdem fällt's so auch weniger auf, wie schwachbrüstig sich unser kleiner Leihwagen bei längeren Steigungen erweist...Schade, dass es fast nirgendwo eine geeignete Stelle zum Stoppen gibt, um mal ein Foto zu machen. Gäbe es dann mal ein Plätzchen, klappt es mit einem spontanen Halten nicht, da sonst der Hintermann aufsäße.
   Irgendwann ist der Gasmann wohl abgebogen, die Schlange aufgelöst und nur noch ein Fiat 500 tuckelt vor uns her. Aber da sind wir eh schon fast am Ziel. Treudoof folgen wir ihm, auch an einem Wegweiser zum Torcal vorbei. Kurz darauf scheinen wir da zu sein, der Fiat blinkt und biegt in einen Parkplatz ein, wir ebenso. Allerdings ist das hier die Endsation für die Sportlichen, die sich ehrlich den ganzen Weg nach oben zu Fuß erkämpfen. Das wollen die Fiat-Insassen wohl ebenso wenig wie wir, der Fahrer wendet, zeigt uns ein versöhnliches Peace-Zeichen und fährt wieder zurück zur richtigen Abzweigung. Wir auch.
    Der Torcal ist ein kompakter, um die 17 Hektar umfassender Karstgebirgsstock, zwischen 1400 und 1800 Meter hoch gelegen und mit Blick auf die hübsche andalusische Hügellandschaft, die sich bis zum ca. 30 Kilometer entfernten Meer und Malaga erstreckt. Vor über 100 Millionen Jahren bedeckte das Jura-Meer Thethys unter anderem auch die Iberische Halbinsel. Allmählich zog es sich zurück und übrig blieb nur noch das heutige Mittelmeer. Die erstarrten Kalkablagerungen der Thethys wurden durch den Schub der afrikanischen Platte auf die europäische angehoben und falteten sich im Lauf von Jahrmillionen zu den typischen Karstgebirgen, wie man sie heute in den Ländern rund ums Mittelmeer findet - zerklüftet, von äonenlanger Bearbeitung durch eindringendes Wasser geformt, häufig mit fantastischen Tropfsteinhöhlen, manche erodiert zu skurrilen Formationen.
   Wo sich andernorts die Ablagerungen des Ur-Ozeanbodens falteten, blieben sie hier ungestört und in waagerechten Schichten erhalten, die widerstandsfähigsten von ihnen als fantasievolle Skulpturen.
   Ein Besuch hier lohnt sich wirklich für jeden: den eiligen Durchreisenden, den fußfaulen, der lieber seine Views aus dem Auto genießt oder den ehrlichen Wanderer. Spektakuläre Blicke hinunter in die Landschaft oder einige der beeindruckendsten Felsformationen kann man bereits während der Fahrt hinauf zum Besucherzentrum und letzten Parkplatz erleben. Wir entscheiden uns für einen Kompromiss: Besichtigung unterwegs mit einigen Stopps am Straßenrand und anschließend die kurze Grüne Route oben am Plateau. Als was sich vermeintliche kurze Routen in der Realität - oder zumindest für uns - meist herausstellen, sind Gewaltmärsche. Aber wir haben Zeit und müssen die knappen zwei Kilometer ja nicht in der angegebenen Dreiviertelstunde absolvieren - schließlich will man ja mal stehen bleiben und fotografieren. Trotz der Höhe ist es gut warm, eine Bombenkondition haben wir nicht, und nach besonders vielen Schattenplätzchen für eine Rast sieht's hier auch nicht aus. Wir besorgen uns erst einmal Trinkproviant im Restaurant, ehe wir die Runde antreten. Für Stöckelschuhe ist der Weg jedenfalls nicht geeignet: Die Dame, die wir gerade noch bewundernd beim Einstieg in die Felsenwelt beobachtet haben, wird von ihrem Begleiter schon wieder galant zum Auto zurückgeführt.
   Der Pfad ist gut markiert und bis auf einige Passagen bergauf oder bergab auf etwas schlüpfrigen, abgetretenen Felsen recht gemütlich. Es geht vorbei an hübschen Felsfiguren, die natürlich wie überall an ähnlichen Orten bezeichnende Namen haben wie etwa das "Kamel" (das wir zwar fotografieren, aber ahnungslos und daher von schräg vorne und natürlich nicht annähernd als solches zu erkennen - erst nach unserer Wanderung auf dem Foto im Restaurant. Blöd, dass das Besucherzentrum vorhin noch zu war und wir keinen Info-Flyer besorgen konnten).
   Die schon herbstlich eingefärbten Bäume und Sträucher bilden aparte, bunte Kleckse zwischen den Felsen. Wie sensationell muss erst der Frühling hier sein, mit sattem Grün und Wildblumen überall! Hin und wieder räumen wir den Pfad für zügigere Wanderer, die offenbar die vorgegebene Zeit für die Runde einhalten oder gar unterbieten wollen. Gas geben müssen auch zwei Schwäbinnen, die an uns vorbeirauschen und in ein paar Minuten sich mit jemandem irgendwo treffen wollen. Wir lassens ruhig angehen, suchen uns ab und mal einen bequemen Felsen im Halbschatten, lassen die grandiose Kulisse auf uns wirken und fotografieren - die Motive sind schier endlos. Wir müssen nur höllisch aufpassen, dass uns nicht die kleine Spanierin oder ihr Begleiter ins Bild gerät. Irgendwie tauchen sie ständig und unerwartet wie die Schachtelteufel hinter einer Wegbiegung oder auf einem Felsen neben, hinter oder vor uns zum Posing auf. Offenbar haben wir einen sehr ähnlichen Fortbewegungsrhythmus.
   Von der hiesigen Fauna lässt sich nichts blicken - kein Wunder, hier laufen zu viele Leute herum. Nur ein paar Vögel drehen in schwindelnder Höhe ihre Runden - Gänsegeier, wie wir später erfahren - manchmal fragen wir uns schon, weshalb wir einen Feldstecher mit uns herumschleppen. Natürlich lässt sich nie wieder einer der Jungs blicken. Nach guten zweieinhalb Stunden kehren wir wieder zu unserem Ausgangspunkt zurück und zu einem Capuchino ins Restaurant ein - unsere Füße spüren wir nun doch etwas.
    Auf dem Rückweg hinunter zur Hauptstraße stoppen wir noch einmal - die netten Türme aus aufeinander gestapelten Felsplatten sind bei der Herfahrt einfach zu kurz gekommen. Den wohl fotogensten mit dem bezeichnenden Namen Tornillo (Schraube) müssen wir uns noch aus der Nähe ansehen, ehe wir uns von dieser irren Kulisse losreißen.
   Heute freuen wir uns ganz besonders über die Auswahl unseres Hotels - wir finden es auf Anhieb. Das Problem, wo wir heute zu Abend essen - in die Altstadt traben und wieder irgendein Restaurant suchen - löst Hans so schlicht wie genial mit dem Vorschlag, einfach hier zu bleiben. Nach Begutachtung der Halle mit dem Buffet und der vor dem Eingang wartenden Busladungen suchen wir uns im "Terrassen-Grill" ein windgeschütztes Tischchen mit Blick auf den hübsch beleuchteten Pool und üppige Pflanzen-Arrangements. Bei - wieder mal - Huhn und Wein lassen wir den Tag ganz entspannt ausklingen. Die Abkürzung zu unserem Zimmer am Pool entlang nutzt Hans zur Überprüfung der Wassertemperatur, was etwas anders abläuft als beabsichtigt - er steht mit beiden Füßen bis zum Knöchel im Wasser. Im gedämpften Licht ist der flach abfallende Beckenrand ganz schlecht zu erkennen. Jedenfalls ist der Pool angenehm warm.

El Chorro

   Nach Ronda ist es mit 60 km im Grunde eine kurze Fahrt. Aber Linda hat sich eine Tour auf Nebenstecken eingebildet, um sich mal die gigantische Schlucht El Chorro mit dem berühmten Wandersteig Caminito del Rey anzugucken. Nicht, dass wir den begehen wollten - das ist etwas für absolut Schwindelfreie.
    Wie erwartet verläuft unsere Fahrt chaotisch. Nach einer Stunde Irrfahrt vorbei an einsamen Gehöften und durch Weinberge - ohne einen einzigen in unseren Karten angegebenen Ort zu finden - kehren wir nach Antequera zurück und gehen es erneut an. Diesmal klappt's, igendwann stoßen wir schließlich auf einen verwitterten Wegweiser in Richtung El Chorro. Über eine schmale, abenteuerliche Passstraße schlängeln wir uns eine Ewigkeit durch eine zauberhafte Landschaft (die wir aufgrund nicht vorhandener Haltemöglicheiten wieder mal nicht fotografieren können) ehe wir endlich am Ziel sind.
   Letztlich fragen wir uns, ob sich der Aufwand gelohnt hat. Ist schon ganz beeindruckend hier, vor allem dieser Wanderweg in schwindelnden Höhen zieht einem den Magen zusammen. Aber freie Sicht auf die Schlucht ist hart erkämpft, wie gewohnt kaum ein Platz zum Halten zu finden und die einzige Bar, um mal die sanitären Anlagen aufzusuchen, hat geschlossen. Uns reicht's und wir sehen zu, dass wir vor Einbruch der Dunkelheit nach Ronda kommen.

Ronda

   Ronda erreichen wir nun recht flott - über eine unvermutete, da auf keiner unserer Karten eingezeichnete Schnellstraße. Auch die Fahrt in die Altstadt gelingt problemlos - erfreulich vor allem die Vielzahl an Hotels überall. Wir haben unseren 3-Tage-Aufenthalt hier extra nach dem alljährlichen Stierkampf- und Reiter-Festival angesetzt, wir sollten also ganz locker ein Zimmer finden. Allerdings ist Samstag, das Städtchen belebter als gedacht - wir wundern uns über die Karawanen von Menschen, die sich durch die Straßen schieben. Etwas Ähnliches kennen wir nur aus Venedig.
   Unverzagt stellen wir unser Auto erst einmal an der Stierkampfarena im Halteverbot ab, um schnell mal die Hotels um die Ecke abzuklappern. Gleich gegenüber, über einem nett aussehenden Paella-Lokal, wären wir fündig geworden, hätte uns nicht das dunkle Loch von Zimmer gestört, das einzige Fenster mit etwas befremdlichem Blick in einen darunter liegenden Speisesaal (laut Hotelbesitzer garantiert nicht genutzt) oder der höllisch laut surrende Sicherungskasten (kann er nichts dagegen machen, aber - nicht ohne eine deutliche Spur von Häme: "Ihr könnt euch gerne ein anderes Hotel suchen"). Das tun wir dann auch - das Auto ist mittlerweile aus der Abschleppgefahrenzone in einer sicheren Tiefgarage untergebracht - Hans bewacht das Gepäck, Linda zieht um die Ecken. Glück haben wir irgendwann doch noch - mit einem freundlichen, großen und hellen Vier-Personen Zimmer, das zwar die erste Nacht wegen Wochenende etwas teurer ist als das erste geschmähte, aber die zwei folgenden Tage um 2/3 weniger kostet.
   Weshalb Ronda so überfüllt ist, erfahren wir bei unserer ersten Erkundungsrunde in Richtung Tajo-Schlucht und Puente Nuevo, der über 80 Meter hohen zwei Stadtteile verbindenden Brücke. Hier geht es zu wie auf dem Münchner Oktoberfest. Menschenmassen kleben an Brüstungen, wogen über Platz und Straße, eine überdimensionale Kletterwand für Kinder da, wo sonst die Fassade des Paradors zu bewundern wäre. Es finden gerade die (frei übersetzt) "Ersten offenen europäischen Canyon-Abseil- und Vertikal-Fortbewegungs-Meisterschaften" der Andalusischen Höhlenkunde-Federation statt. Linda ist beim Anblick der mit Sponsorenplakaten voll geklebten Brücke erst mal angesäuert (besonders apart das der Hilti-Bohrmaschinen), hat sie sich so auf ein Starfoto DES Ronda-Highlights gefreut. Aber je länger wir dann dem Spektakel zugucken, umso lustiger finden wir es, wie sich die Leute kreuz und quer über die Schlucht hangeln, sausen oder gleiten bis sie am Talboden angelangt sind.
   Unsere Mägen knurren, als wir unsere kleine Tour bei der Stierkampfarena beenden. Zum kleinen Paella-Lokal gehen wir lieber nicht, das scheint zum verschmähten Hotel zu gehören und dessen madigen Besitzer, der dort wie ein Zerberus Wache hält. Besonders lauschig ist das grell beleuchtete Terrassenrestaurant zwei Häuser weiter nicht gerade, aber das andalusische Eier-Omelett schmeckt recht gut.

Plaza de Toros

   Sonntag: Wie gestern strahlend blauer Himmel und über 30 Grad. Durch das Städtchen flanieren heute zwischen den Touristenströmen feiertäglich herausgeputzte Familien. Im Sonntagsstaat präsentiert sich am Blumenrondell vor der Stierkampfarena auch ein kleiner Schimmel. Er steht einfach allein da, geschmückt mit hübscher bunter Webdecke, Bänder sind in Pony und Schwanz geflochten. Linda gehört ja nicht unbedingt zu den Pferdenarren, aber das Tier hier ist einfach zu nett, um nicht fotografiert zu werden. "Kein Foto! Kein Foto!" schreit auch schon ein im Schatten der Arena versteckter Mann. "Das kostet einen Euro!" Klar - wieder mal reingetappt, aber das ist OK. Das für den Preis inbegriffene Zusatzfoto von Linda + Pferd + auf Gaucho getrimmtem Besitzer hätte nun nicht sein müssen, aber dem kommen wir nicht aus.
   So klein Rondas Plaza de Toros von außen aussieht - innen wirkt sie irgendwie riesig und bietet Sitzplätze für über 6000 Besucher. Sie ist die älteste Spaniens (eröffnet 1785), der Geburtsort des modernen Stierkampfes und diente als Vorlage für alle anderen bald darauf in anderen Städten des Landes errichteten Stierkampfarenas. Berühmte Matadoren stammen aus Ronda, etwa Pedro Romero und Gaetano Ordonez, eroberten von hier aus die Herzen der "aficionados" (Kenner, Fans), ebenso wie zeitgenössische Toreros von Rang und Namen heute. Und natürlich - wie kann es anders sein - tummelte sich hier auch der allgegenwärtige Ernest Hemingway herum und ließ sich zu seinem "Tod am Nachmittag" inspirieren.
   Wir lassen uns unter den hübschen nostalgischen Rangbögen nieder und beobachten das bunte Treiben unten im Sand: Posings mit schalschwingenden Damen und Männern, die in kurzen Hosen und angedeuteten Hörnern albern drumherum hüpfen. Lustig auch die recht feste Dame, die, hinter einer Schutzwand versteckt, Kim Basingers berühmten Striptease aus 9 1/2 Wochen (nur zu sehen das nackte, den Türrahmen liebkosende Bein) nachempfindet. Fotos mit uns drauf wollen wir natürlich auch machen - Linda allein in der großen Arena ist etwas problematisch, und Hans findet es nicht ganz so witzig, hinter eine der Schutzbanden genötigt zu werden.
    Ein interessantes Museum gibt's auch, nur ist es heute am Sonntag rappelvoll und zu den Vitrinen mit Kostümen, Degen und anderen Ausstellungsstücken müssen wir uns mühselig durch dicht stehende, geführte Gruppen drängeln. Unter den vielen Veranstaltungsplakaten aus allen Epochen - die hängen wenigstens weit oben an der Wand und sind kampflos zu bewundern - gibt's auch eines von Pablo Picasso, unverkennbar und genial.

Tajo-Schlucht

   Nach Abklingen der Mittagshitze wagen wir uns an einen moderaten Abstieg durch die maurische Altstadt Rondas, um direktere Einblicke in die Tajo-Schlucht zu erhalten. Moderat ist's nicht gerade - nach der Puente Nuevo geht's sofort reichlich kniestrapazierend auf Steinpflaster steil bergab (mit Bangen denken wir wieder an den Rückweg). Aber irgendwann ist der Point of no Return passiert, und schließlich kann man kleine Pausen einlegen und die hübschen alten Häuser mit ihren kunstvollen Balkonen betrachten. Von der Schlucht sieht man allerdings von hier aus nichts - da wäre die andere Seite mit eigens angelegten Aussichtswegen und -plattformen geeigneter gewesen. Aber nun sind wir da - gefühlt mindestens im unteren Viertel der Schlucht - und vorm Palacio del Rey Moro angekommen.
   Auf unserem Besuchsprogramm stand er nicht, da komplett übersehen. So freuen wir uns umso mehr, hier einen abwechslungsreichen Mix aus Lustwandeln unter schattigen Bäumen, spektakulären Schlucht-Views und hautnaher Verfolgung der Wettkämpfe im vertikalen Fortbewegen genießen zu können.
   Die "Hängenden Gärten" des Palastes sind die ersten ihrer Art, die wir hier durchstreifen. Sie wurden in teils ganz schmalen bis weitläufigeren Terrassen in der nahezu senkrechten Felswand angelegt und sind durch Wege und Treppen miteinander verbunden. 380 Stufen führen ganz hinunter zum Boden der Schlucht. Und nicht genug der Superlative: Ein eigenes Bergwerk hat der Maurenpalast auch noch, das für den Besucher zugänglich ist. Es wurde ehedem als Waffenlager und verborgener, strategisch wichtiger Zugang zur Lebensader Fluss genutzt. Sicher sehenswert, aber wir verkneifen uns einen Abstieg. Lieber schlendern wir gemütlich zwischen plätschernden Springbrunnen, blühenden Büschen und unter den majestätischen Libanon-Zedern umher - auch hier geht's zur Genüge bergab. Als solche sicher damals nicht geplant, sind die verstreut angelegten Aussichtsplattformen heute perfekte Logenplätze, um die furchtlosen Canyonüberquerer vorbeisausen zu sehen.
   Unseren kurzweiligen Rundgang beenden wir im gemütlichen Café vor dem Palastausgang - mit Blick in die weite hügelige Landschaft der Serrania de Ronda und auf die letzte Etappe der Wettkämpfer: von der Arabischen Brücke hinunter zum Tajo und das auch noch in einem künstlichen Wasserfall. Für uns hingegen heißt es: wieder zurück bis ganz nach oben.

   Hätte uns jemand prophezeit, wir würden zwei Mal die Tajo-Schlucht runter- und wieder raufkrabbeln, hätten wir ihn für verrückt erklärt. Aber das Licht ist jetzt am Spätnachmittag noch so schön und unsere Füße schmerzen nicht besonders - wir wollen unbedingt noch den Klassiker der hiesigen Panoramen erleben: den Blick von Westen auf Ronda hoch oben auf den Felsen und die Puente Nuevo. Sicher ist die Kulisse von ganz unten aus noch grandioser - uns reicht aber wie den meisten Pilgern die halbe Höhe, der Ausblick hier ist auch absolut sensationell. Und man muss auf dem Rückweg nur um die 70 Höhenmeter überwinden.

   In der Pizzeria bei unserem Hotel ums Eck gäbe es Paella, und vermutlich auch noch ganz gute, den hauptsächlich spanischen Gästen nach zu schließen, allerdings nur auf Vorbestellung. Für morgen ist sie uns hier auch nicht vergönnt, denn da geht es in Betriebsferien. Schade. Dann gibt's eben Pizza.
   Gestern haben wir nur kurz vorbeigeguckt beim kleinen Theater im Stadtpark hoch oben am Rand der Felsklippe. Heute ist der letzte Tag des alljährlichen Musikfestivals der Weißen Dörfer, und den mitreißenden Rock von Joe King Carrasco genießen wir jetzt bis zum Schluss des Konzerts.


Arabische Bäder und Altstadt

   Montag - unser letzter Tag in Ronda. Weg ist heute die Sonne, weg sind die Menschenmassen, leergefegt die Straßen, abmontiert die Sponsorenplakate von der Puente Nuevo. Wir machen uns auf zu den arabischen Bädern - zur Abwechslung mal wieder den ganzen Ort hinunter bis zum Talboden des Tajo-Canyons - wenigstens sind die Temperaturen gemäßigter als die Tage zuvor. Eigentlich wollten wir den Stufen-Paseo unterhalb der Neustadt hinunterlaufen, aber irgendwie haben wir den Einstieg verpasst und kommen an der arabischen Brücke - schon fast ganz unten - heraus.
    Im Gegensatz zu unseren letzten besuchten Banos Arabes in Cordoba entspricht die hiesige Anlage schon eher einer altehrwürdigen, historischen Stätte und dem, was man als gemeiner Tourist von einer solchen erwartet. (In Cordoba ist der Teil der begehbaren Bäder, unterirdisch gelegen und über eine recht unauthentische, hässliche Betonrampe erreichbar, orginalgetreu nachgebildet inklusive roter und blauer Marmorsäulen - einerseits prächtig, gefühlt aber etwas zu bunt.) Hier ist schon der Anmarsch etwas lauschiger: über die alte Brücke, von der aus man bereits einen Teil der recht großen Anlage einsehen kann, und dann weiter hinunter unterhalb der arabischen Stadtmauer mit ihren Schwalbennester-Häusern.
    Dass sich die Stadt quasi über Nacht geleert hat, merken wir auch hier: Die Banos haben wir fast für uns alleine. Schön, mal ganz entspannt zu fotografieren, ohne auf ins Bild trapsende Fremde achten zu müssen. Wie an anderen Orten von historischem Interesse informiert auch hier ein Video über Entstehung, Bedeutung und Funktion dieser Anlage. Immer wieder kann man nur die für damals sehr fortschrittliche Technologie der Araber in Sachen Architektur und Wassernutzung bewundern - zu Zeiten, als sich Europa bezüglich derartiger Errungenschaften noch im Tiefschlaf befand.
   Den lebhaften Eindruck, wie entspannend dieser Ort einst gewesen sein muss, vervollkommnet ein Spaziergang im zugehörigen Garten - zwischen blühenden Sträuchern und unter uralten, duftenden Zypressen, in denen Hunderte von Staren laut schnattern. Bänke entlang der Wege laden zum Verweilen und Genießen ein, was wir auch ausgiebig nutzen - ein wirklich hübsches Plätzchen mit netten Views auf die alte Stadtmauer, Tajo-Schlucht und arabische Brücke.

    Nun geht's wieder steil bergan: Wir klettern die zahllosen Stufen unterhalb der Stadtmauer zur Altstadt hinauf. Von hier aus können wir aus nächster Nähe die Schwalbennester-Häuser bewundern, die ehedem dem alten Gemäuer ganz frech aufgesetzt wurden, und haben einen fantastischen Blick in die weite, sanfte umgebende Berglandschaft. Durch ein hübsches, maurisches Tor erreichen wir die Altstadt.
   Mit der Wahl eines Cafes für die fällige Kaffeepause hätten wir uns noch etwas gedulden sollen: Wir fallen praktisch in das erste erreichbare Restaurant mit Terrasse und Ausblick ein, in dem wir zwar "nur" Kaffee ordern können, es aber nicht sonderlich gemütlich finden. Wir belassen es bei jeweils einer Tasse Capuchino und verziehen uns, weiter hinauf in Richtung Rathaus und Kirchplatz.
   Das "Museo del Bandolero", das Banditen-Museum, zu besuchen, hatten wir eigentlich nicht vor. Aber da wir nun
gerade vorbeikommen, denken wir, dass es vielleicht doch ganz witzig ist, reinzugucken. Wenn auch nicht gerade originell, aber dennoch ziemlich witzig findet Linda das Foto von Hans, der sein Gesicht durch den Banditen-Pappkameraden am Eingang steckt. Ganz lustig und interessant sind auch die zahllosen Schwarz-Weiß-Fotos manch finsterer Gesellen und Wegelagerern aus älteren Tagen. Denen mochte man in der Tat nicht irgendwo nächstens oder außerhalb der geschützten Stadt begegnen. Wohl unbeabsichtigt, aber ausgesprochen witzig sind die als Banditen kostümierten Schaufensterpuppen hinter Glaswänden, die wohl eine typische Szene aus dem Alltag eines Räubers nachstellen sollen - etwa verträumt lächelnd beim Essen und mit Maiskolben in der Hand. Na ja, ansonsten ist's hauptsächlich düster, eng und vollgepackt mit verstaubtem Kram.

   Schade: Der Rathausplatz, ganz oben in der Altstadt an einem kleinen Park, wäre genau das Plätzchen für einen Kaffee gewesen. Aber gleich wieder einkehren wollen wir nun auch nicht und tauchen lieber ein in das enge Gassengewirr wieder zurück in Richtung Neue Brücke. Auch dem Palast Mondrigan, dem Stadtmuseum, wollten wir eigentlich keinen Besuch abstatten. Aber beim Vorbeigehen sieht ein Patio durch das alte Portal so hübsch und einladend aus, dass wir reingucken. In etlichen Sälen kann man jede Menge Interessantes zu Ronda, seiner Geschichte, der umliegenden Gegend, zu Kultur und Bewirtschaftung von den ersten Siedlern über die Römer, Araber bis hin zur jüngsten Vergangenheit erfahren. Historie, Kultur und Ethnologisches erkunden wir im Schnelldurchlauf, lieber streifen wir über Balkone, durch kleine maurische Portale, bunte Patios und den hübschen Garten. Schade, dass es heute so bewölkt und mittlerweile recht duster ist. Von hier aus ist der Blick in die weite Landschaft im Westen grandios.
    Auf dem Rückweg in Richtung Neue Brücke zieht es uns in einen dieser kleinen, verführerischen Läden mit liebevoll drapierten Süßigkeiten und Gebäck. Zwei oder drei solcher Teile müssen jetzt einfach her. Während Hans das Angebot studiert, versucht Linda, die bunten Leckerei-Kunstwerke abzulichten. "No fotos! No fotos" kreischt es vom Eingang. Die Besitzerin ist sehr ungehalten und Linda rechnet schon fast damit, dass ihr die Kamera aus de Hand gerissen wird. Nun, dann gehen wir halt wieder - ins Haus gleich nebenan in einen identischen Laden. Hier schlagen wir nun zu, der Besitzer ist gut drauf und sonnigen Gemüts, Linda darf fotografieren und die Zicke von nebenan guckt immer noch grätig, als wir mit unseren Tüten rauskommen. (Das Foto gibt's auf der Website dennoch nicht. Der nette Typ hinterm Tresen ist optimal getroffen - im Gegensatz zum eigentlichen Motiv, dem hübschen Gebäck; das ist unscharf...)
   Unser letzter Tag hier in Ronda neigt sich dem Ende zu. Da heute offenbar das Gros der Restaurants - zumindest in näherer Umgebung unseres Hotels - geschlossen hat und wir zu träge sind, noch weitere Gewaltmärsche mit Suchen einzulegen, landen wir mal wieder bei einem Italiener und zur Abwechslung Lasagne. Das mit der Paella hat nicht sollen sein - dafür nehmen wir einmal mehr jede Menge unvergessliche Eindrücke mit - aus einer zauberhaften Stadt in einzigartiger Kulisse.


Antequera - El Torcal - El Chorro - Ronda


Antequera
Dolmen de Menga
Dolmen de Menga
Cueva del Romeral
El Romeral
Decke
Dolmen de Viera
Landschaft
El Torcal
Formationen
Tornillo
Wanderung
Sphinx
Kaskade
Felstürme
Osttor
Meeresböden
Erosionsformen
Platten
Karstlandschaft
El Chorro
El Chorro
Schlucht
Stausee
Altstadt
Neustadt
Abgeseilt
Puente Nuevo
Parador
In die Tajo-Schlucht
Maurenpalast
fast unten
Hängende Gärten
Palastgarten
letzte Etappe
Toro
Torero Picasso
Placa de Toros
Puente Arabe
Banos Arabes
Stadttor
Schwalbennester
Gitarrist
Mondrigan-Palast